Die Dämonen
sie auf einmal in seltsamem Tone, indem sie sich nach Möglichkeit bemühte, ihn nicht anzusehen.
Er fuhr zusammen, beugte sich aber herab.
»Noch weiter ... nicht so ... näher!« Und auf einmal schlang sich ihr linker Arm ungestüm um seinen Hals, und er fühlte auf seiner Stirn einen kräftigen, herzlichen Kuß.
»Marja!«
Ihre Lippen bebten; sie suchte sich zu beherrschen; aber plötzlich richtete sie sich auf und sagte mit funkelnden Augen:
»Nikolai Stawrogin ist ein Schuft!«
Und kraftlos, wie niedergemäht, fiel sie mit dem Gesicht auf das Kissen, schluchzte krampfhaft und drückte Schatows Hand fest in der ihrigen zusammen.
Von diesem Augenblicke an ließ sie ihn nicht mehr von sich; sie verlangte, daß er neben ihr am Kopfende sitzen solle. Sprechen konnte sie nur wenig; aber sie blickte immer nach ihm hin und lächelte ihm glückselig zu. Sie hatte sich auf einmal in eine Art von Törin verwandelt. Alles schien umgewandelt zu sein. Schatow weinte bald wie ein kleiner Knabe, bald redete er Gott weiß was in seltsamer, nebelhafter, begeisterter Art; er küßte ihr die Hände; sie hörte ihm entzückt zu, vielleicht ohne ihn zu verstehen; aber sie spielte mit ihrer matten Hand freundlich in seinem Haar, streichelte es und betrachtete es mit Wohlgefallen. Er sprach ihr von Kirillow und davon, daß sie jetzt für alle Zeit ein neues Leben beginnen würden, und von der Existenz Gottes und davon, daß alle Menschen gut seien ... In ihrem Entzücken nahmen sie das Kindchen wieder heraus, um es zu betrachten.
»Marja!« rief er, während er das Kindchen auf den Händen hielt, »nun hat der alte Fieberwahn und die Schmach und der seelische Tod ein Ende! Laß uns arbeiten und zu dreien einen neuen Weg wandeln, ja, ja! ... Ach ja: wie wollen wir ihn denn nennen, Marja?«
»Nennen? Wie wir ihn nennen wollen?« fragte sie erstaunt zurück, und plötzlich malte sich auf ihrem Gesichte eine furchtbare Traurigkeit.
Sie schlug die Hände zusammen, blickte Schatow vorwurfsvoll an und warf sich mit dem Gesichte auf das Kissen.
»Marja, was ist dir?« rief er betrübt und erschrocken.
»Und Sie konnten, Sie konnten ... Oh, Sie Undankbarer!«
»Marja, verzeih mir, Marja ... Ich fragte nur, wie wir ihn nennen wollen. Ich weiß nicht ...«
»Iwan, Iwan,« erwiderte sie und hob ihr glühendes, tränenfeuchtes Gesicht in die Höhe. »Konnten Sie wirklich denken, daß wir ihm einen andern, einen schrecklichen Namen geben könnten?«
»Marja, beruhige dich! Oh, wie reizbar du bist!«
»Das ist eine neue Grobheit, daß Sie das auf Reizbarkeit zurückführen. Ich möchte wetten, daß, wenn ich jenen schrecklichen Namen für ihn in Vorschlag gebracht hätte, Sie sogleich einverstanden gewesen wären, ja es nicht einmal beachtet hätten! O wie undankbar, wie niedrig denkend alle sind, alle!«
Nach einer Minute hatten sie sich natürlich versöhnt. Schatow redete ihr zu zu schlafen. Sie schlief ein, ließ aber seine Hand immer noch nicht aus der ihrigen, wachte häufig auf, blickte ihn an, als fürchte sie, daß er weggehe, und schlief dann wieder ein.
Kirillow schickte die alte Frau, »um zu gratulieren«, und außerdem heißen Tee, frisch gebratene Koteletts und Bouillon mit Weißbrot »für Marja Ignatjewna«. Die Kranke trank gierig die Bouillon; die Alte legte das Kind in Windeln; Marja veranlaßte auch Schatow, ein Kotelett zu essen.
Die Zeit verging. Auch Schatow schlief kraftlos auf seinem Stuhle ein, mit dem Kopfe auf Marjas Kissen. So fand die beiden Arina Prochorowna vor, welche Wort gehalten hatte; sie weckte sie fröhlich, besprach mit Marja das Nötige, besah das Kind und sagte wieder zu Schatow, er solle bei der Kranken bleiben. Dann machte sie über die »Eheleute« ein paar Witzchen, die einen Beigeschmack von Geringschätzung und Hochmut hatten, und ging ebenso zufrieden fort wie das erstemal.
Es war schon ganz dunkel, als Schatow aufwachte. Er zündete schnell Licht an und lief weg, um die alte Frau zu holen; aber kaum fing er an, die Treppe hinabzusteigen, als er zu seiner Verwunderung die leisen, langsamen Schritte eines ihm entgegen Heraufsteigenden hörte. Es war Erkel.
»Ich kann Sie nicht ins Zimmer lassen!« flüsterte Schatow, ergriff ihn hastig bei der Hand und zog ihn nach dem Tore zurück. »Warten Sie hier; ich komme gleich heraus; ich hatte Sie vollständig vergessen. Oh, unter welchen Umständen bringen Sie sich wieder in Erinnerung!«
Er beeilte sich so sehr, daß er nicht einmal zu
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