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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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und die Wäsche, war, wie ich nachher erfuhr, auf Liputins Rat für irgendwelche geheimen Zwecke angeschafft worden. Und wenn er jetzt hierher gefahren war (in einer Droschke!), so war auch dies zweifellos nach fremder Anweisung und mit jemandes Beihilfe geschehen; allein würde er es in Zeit von etwa dreiviertel Stunden nicht fertig gebracht haben, auf diesen Einfall zu kommen, sich zu entschließen, sich anzukleiden und fertigzumachen, angenommen sogar, daß die Szene in der Vorhalle des Domes sogleich zu seiner Kenntnis gelangt wäre. Er war nicht betrunken, befand sich aber in dem peinlichen, benommenen, dumpfen Zustande eines Menschen, der nach mehrtägiger Betrunkenheit auf einmal zur Besinnung kommt. Ich glaube, man hätte ihn nur ein paarmal mit der Hand an der Schulter hin und her zu biegen gebraucht, und er wäre sofort wieder betrunken gewesen.
    Er wollte schnell und forsch in den Salon eintreten, stolperte aber an der Tür über den Teppich. Marja Timofejewna lachte sich darüber beinah tot. Er sah sie mit einem wilden Blicke an und machte plötzlich einige schnelle Schritte auf Warwara Petrowna zu.
    »Ich bin gekommen, gnädige Frau ...« begann er trompetenhaft loszuschmettern.
    »Tun Sie mir den Gefallen, mein Herr,« sagte Warwara Petrowna, sich gerade aufrichtend, »und nehmen Sie dort Platz, auf jenem Stuhle! Ich kann Sie auch von dort aus hören und werde Sie von hier aus besser ansehen können.«
    Der Hauptmann blieb stehen und starrte stumpfsinnig vor sich hin, drehte sich aber dann doch um und setzte sich auf den angewiesenen Platz, dicht an der Tür. Ein starkes Mißtrauen gegen sich selbst, zugleich damit aber auch Frechheit und eine ständige Reizbarkeit kamen auf seinem Gesichte zum Ausdruck. Er hatte schreckliche Angst, das war augenscheinlich; aber auch sein Selbstgefühl hatte schwer zu leiden, und man mußte darauf gefaßt sein, daß er aus verletztem Selbstgefühl trotz seiner Angst sich bei Gelegenheit zu irgendwelcher Frechheit entschließen werde. Augenscheinlich machte ihm jede Bewegung seines ungeschlachten Körpers Sorge. Bekanntlich sind bei all solchen Herren, wenn dieselben durch einen wunderlichen Zufall in gute Gesellschaft hineingeraten, das Hauptunglück ihre eigenen Hände und das dauernde Bewußtsein, daß sie sie nicht anständig unterzubringen wissen. Der Hauptmann saß starr auf seinem Stuhle, mit seinem Hute und den Handschuhen in der Hand, und wandte seinen gedankenlosen Blick nicht von Warwara Petrownas ernstem Gesichte ab. Er hätte vielleicht gern aufmerksamer um sich gesehen, wagte das aber vorläufig noch nicht. Marja Timofejewna, die seine Figur wahrscheinlich wieder furchtbar lächerlich fand, kicherte von neuem los; aber er rührte sich nicht. Warwara Petrowna ließ ihn lange, eine ganze Minute lang, ohne Erbarmen in dieser Positur verbleiben, indem sie ihn schonungslos musterte.
    »Erlauben Sie mir zunächst, Sie selbst nach Ihrem Namen zu fragen,« sagte sie dann in gemessenem, nachdrücklichem Tone.
    »Hauptmann Lebjadkin,« donnerte der Hauptmann. »Ich bin gekommen, gnädige Frau ...« er wollte sich wieder von seinem Platze rühren.
    »Erlauben Sie!« unterbrach ihn Warwara Petrowna und hielt ihn durch eine Handbewegung zurück. »Ist diese bemitleidenswerte Person, die in so hohem Grade meine Teilnahme erweckt hat, wirklich Ihre Schwester?«
    »Jawohl, sie ist meine Schwester, gnädige Frau; sie ist der Aufsicht entronnen; denn sie befindet sich in einem solchen Zustande ...«
    Er stockte plötzlich und wurde dunkelrot.
    »Fassen Sie das nicht falsch auf, gnädige Frau,« fuhr er dann in schrecklicher Verwirrung fort; »der leibliche Bruder wird nichts Beschimpfendes sagen ... in einem solchen Zustande, das bedeutet nicht in einem solchen Zustande ... in einem den Ruf befleckenden Sinne ... in der letzten Zeit ...«
    Er brach plötzlich ab.
    »Mein Herr!« Warwara Petrowna hob den Kopf in die Höhe.
    »Sehen Sie: in einem solchen Zustande!« schloß er plötzlich, indem er sich mit dem Finger mitten auf die Stirn tippte.
    Es trat für eine Weile Stillschweigen ein.
    »Leidet sie daran schon lange?« fragte Warwara Petrowna langsam.
    »Gnädige Frau, ich bin gekommen, um Ihnen für die Großmut, die Sie ihr in der Vorhalle des Domes erwiesen haben, auf echt russische Art brüderlich zu danken ...«
    »Brüderlich?«
    »Das heißt, nicht brüderlich, sondern nur in dem Sinne, daß ich der Bruder meiner Schwester bin, gnädige Frau, und seien Sie

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