Die Dämonenfalle
was ein Higher erwarten darf, ist sein Download in die gigantische Hirnbibliothek der Erde. Warum überhaupt noch darauf warten? Ihr behauptet doch, dies wäre euer aller großes Ziel. Migriert doch einfach und klinkt euch ein in die große virtuelle Realität im Himmel. Geht endlich und spielt von mir aus bis in alle Ewigkeit Mental-Golf oder was auch immer. Ich weiß, dass die Zahl derer, die sich downloaden, stetig steigt; immer mehr von euch erkennen scheinbar, wie sinnlos euer Leben wirklich ist. Wir wurden nicht für die Göttlichkeit geschaffen; mit der ureigensten menschlichen Essenz darf man nicht herumhantieren. Wir benötigen wahre Herausforderungen zu unserer Selbstverwirklichung. Wir brauchen sie, die gebrochenen Herzen. Wir müssen erleben, wie unsere Kinder groß werden. Wir müssen überden Horizont blicken, um nach neuen Wundern Ausschau zu halten, müssen bauen, gestalten und erschaffen. Die Higher-Zivilisation kann nichts davon bieten.«
»Das Zentrale Commonwealth ist die größte Schöpfung unserer Gattung. Um einen alten Songtext sinnentsprechend zu zitieren: Glaubt ihr denn, wir würden unsere Kinder nicht lieben?«
»Das bezweifle ich nicht. Aber nicht genug, um ihnen die Wahl zu lassen. Als Higher geboren zu werden, bedeutet, Higher zu bleiben, um am Ende der physischen Existenz zu entfliehen.«
»Sie könnten sich anders entscheiden, sie wollen es aber gar nicht. Und deshalb konvertieren jedes Jahr Millionen von menschlichen Advancern zu Highern. Haben Sie eine Erklärung dafür?«
»Ja, es ist einfach der letzte Schritt auf ihrem Abenteuer. Diese Leute haben aber erst gelebt , wissen demnach, dass es verschiedene Existenzformen gibt. Erst danach entscheiden sie sich für euren defätistischen digitalen Traumzustand; doch zu diesem Zeitpunkt sind sie ohnehin zum Sterben bereit. Was also haben sie zu verlieren?«
»Und werden Sie das auch tun, Paul? Aufgeben und Ihre Erinnerungen dem großen Endlager der Erde überantworten?«
»Wenn ich irgendwann des Lebens überdrüssig sein sollte, vielleicht. Das wird aber gewiss nicht vor Ablauf eines weiteren Jahrtausends, oder gar zehn geschehen; die Galaxis ist groß, weißt du.«
»Es stimmt mich immer traurig, wie ignorant eure Ansichten doch sind.«
»Mit ›eure‹ meinst du vermutlich Leute wie mich, oder?«
»Ja, Paul. Leute wie Sie. Reaktionäre Advancer. Die Advancergene haben euch gezeigt, wie weit man die menschliche Evolution treiben kann, um die Lebensspanne zu verlängern. Ihr seid praktisch immun gegen Krankheiten, auf natürliche Weise in die Unisphäre eingebunden und vieles mehr. Mit all diesenMöglichkeiten habt ihr euch den Highern ein gutes Stück genähert, und doch scheut ihr den letzten Schritt. Warum?«
»Reaktionär oder nicht, Biononics sind kein natürlicher Teil von uns. Weder entstammen sie unserem Erbgut, noch können sie ihm hinzugefügt werden. Sie infizieren die Körperzellen, deshalb muss man mit ihnen geboren werden, um ein wahrer Higher zu sein. Biononics müssen sich während des natürlichen Wachstums eines Embryos multiplizieren. Nur dann können sie von jeder Zelle aufgenommen werden. Oder in anderen Worten: Es ist unmöglich, sämtliche Zellen eines Erwachsenen auf diese Weise zu korrumpieren. Das ist der Unterschied, der entscheidende Unterschied. Diese Zellen sind wesensfremd und wurden ihrem Trägerorganismus aufgezwungen.«
»Hören Sie sich nur mal an: Infiziert. Korrumpiert. Aufgezwungen. Wesensfremd. Wie begrenzt doch euer Horizont ist, wie klein eure Welt.«
»Ich bin, was ich bin. Und ich mag, was ich bin. Ihr werdet das weder mir noch meinen Kindern wegnehmen. Ich habe das Recht zur Selbstverteidigung. Wenn das, was ihr tut, ein Akt der Nächstenliebe und Wohltätigkeit ist, warum hast du dich dann hier eingeschlichen wie ein Dieb in der Nacht? Warum nicht mit offenen Karten gespielt? Jeder hier auf diesem Planeten kann ins Zentrale Commonwealth reisen, wenn er dies wünscht. Warum also bist du hergekommen, um deine Kultur mittels Hinterlist und Täuschung zu verbreiten?«
»Die Lügen und Vorurteile, denen ihr beständig Nahrung liefert, lassen uns keine andere Wahl. Ihr verdammt künftige Generationen zu einem Leben voller Leid, das sie nicht verdienen. Davor können wir sie bewahren.«
Paul neigte den Kopf und grinste den Angel triumphierend an. »Jetzt hör du dich nur mal an«, sagte er leicht spöttisch. »Und das Beste: Ich weiß, dass du mit dieser Einstellung auch unter den
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