Die Dämonenwache. Kampf um Port Fayt (German Edition)
dass ihr die Feinheiten meines Metiers bis ins Letzte versteht, aber ‹herhexen›? Ich muss doch sehr bitten.»
Paddy gluckste und boxte seinem Bruder gegen den Arm.
«Keine Sorge, Frank, es würde sowieso nichts ändern. Es gibt in der ganzen Alten Welt keine Jacke, die unsere Visagen schöner aussehen lässt.»
Fünf Minuten später bahnten sie sich ihren Weg durch die Menschenmenge im Hafen. Raketen explodierten hoch über der Bucht und warfen rote, blaue und grüne Flecken an den Himmel, die sich im schwarzen Hafenwasser widerspiegelten. Das Große Seefest hatte begonnen.
Stimmen, Gelächter und Musik hallten Tabitha in den Ohren, und der Duft nach gegrilltem Fleisch und Fisch ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Der Hafen war mit bunten Laternen, Wimpeln und Papierketten herausgeputzt und quoll über von Faytern, die lachten, sangen und sich gegenseitig anrempelten. Feuerschlucker, Jongleure und Schlangenmenschen wetteiferten um Aufmerksamkeit und Münzen, doch die meisten Bewohner beachteten sie gar nicht, weil sie mit ernsteren Angelegenheiten wie Essen und Trinken beschäftigt waren. Ein winziges, kicherndes Elfenmädchen huschte Tabitha um die Beine und versteckte sich dort vor einem noch winzigeren Koboldjungen, der ihr auf den Fersen war. Tabitha musste unwillkürlich lächeln.
Als sie den Kopf hob, bemerkte sie zwei Menschen, die zu ihr hinsahen und miteinander flüsterten. Die Männer trugen schwarze Uniformjacken und einen Dreispitz, und über ihren Schultern hingen Musketen. Tabitha funkelte sie so finster an, dass die beiden zusammenzuckten und den Blick abwandten, als hätten sie nicht gerade über Tabitha geredet. Schwarzmäntel. Sie waren in etwa so nützlich wie ein Gummisäbel.
Tabitha sah forschend durch die Menge und entdeckte noch einige weitere schwarzgekleidete Milizsoldaten, die sich mit Musketen und Armbrüsten durch das Gedränge schoben, strenge Mienen machten und dafür sorgten, dass keiner aus der Reihe tanzte.
Auch Newton hatte sie gesehen. Auf sein Zeichen hin verteilten sich die Wächter fächerförmig in der Menge, um wie abgesprochen kleine Boote zu besteigen. Wenn man sie zusammen sah, würden die Schwarzmäntel womöglich nervös werden, und wenn es nach Newton ging, war es immer besser, unbemerkt vorzugehen. «Incognito», wie Hal es nannte. Genau aus diesem Grund hatte Slik an diesem Abend nicht mitkommen dürfen. Man konnte sich einfach nicht darauf verlassen, dass er lange genug den Mund hielt.
Tabithas Boot war mit einem fröhlich dreinblickenden Zwerg mit kurzem blondem Bärtchen bemannt, der sich ein rotes Taschentuch um den Kopf gebunden hatte. Er zwinkerte ihr zu, als sie ins Boot kletterte.
«Zur
Zornigen Rache
?», fragte sie.
«Aye.»
Tabitha setzte sich neben ein paar dürre Koboldmatrosen. Als sie in das Hafenbecken hinausfuhren, trällerte der Zwerg mit tiefer Stimme ein Seemannslied, während die Kobolde eine bauchige Weinflasche leerten und, prustend vor Lachen, darin wetteiferten, die ordinärsten Witze zu erzählen, die ihnen einfielen.
Lichtertrauben schimmerten rund um sie herum – Flotillen aus Schiffen und Barken, die für das Fest miteinander vertäut worden und mit Feiernden beladen waren. Das Boot hielt auf die größte Traube zu, die aus drei riesigen Kriegsschiffen bestand: der
Kolossus
, der
Wilden Wut
und der
Zornigen Rache
. Musik schwebte über das Wasser und wurde immer lauter, je näher sie kamen.
Bei dem Fest an Bord ging es sogar noch lärmender zu als am Kai. Auf dem Vorderdeck sägten Musiker auf ihren Fiedeln und bearbeiteten ihre Quetschkommoden. Die darunterliegenden Decks schwankten unter dem Gewicht atemloser Tanzender, die bei Jigs und Reels auf und nieder hüpften.
Tabitha stieg über die Reling und sah zurück über das Wasser. Newtons Boot war noch nicht angekommen, was bedeutete, dass ihr noch ein wenig Zeit blieb, sich umzusehen, ehe sie dazu verdammt war, den Wachposten zu spielen. Wenn sie Glück hatte, machte sie womöglich Phineus Clagg ausfindig, ehe die anderen Wächter an Bord kamen.
Sie ging los, umrundete die provisorische Tanzfläche und steuerte auf einige mit Essen beladene Tische zu. Es gab Safrankuchen mit Cremefüllung, gezuckerte Nüsse und glasierte Früchte, süße Plätzchen von örtlichen Konditoren und üppige Schokeltörtchen, die aus der Neuen Welt eingeführt und mit goldenem Zuckerpapier dekoriert waren, auf dem das purpurne Wappen der Gargoyle-Gesellschaft prangte – als
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