Die Dämonenwache. Kampf um Port Fayt (German Edition)
draußen am Kai, wo sie über aufgerollte Taue sprang und an leeren Fässern vorbeisauste. Grubb rannte ihr hinterher und verlangte seinen dünnen Beinen alles ab. Eine Horde Matrosen, die auf dem Weg zum Seefest waren, drehte sich um und rief ihm nach, warum er es denn so eilig hätte. Natürlich achteten sie nicht auf den Gestaltwandler. Alles, was sie sahen, war eine Katze, die irgendetwas im Maul trug – wahrscheinlich eine tote Ratte. Nichts Ungewöhnliches.
Grubb schnaufte heftig. Die Katze baute ihren Vorsprung aus, und er wusste, dass er sie schnappen musste, ehe sie wieder in die Seitenstraßen schlüpfte. Doch sie blieb am Kai und sauste zwischen den Lichtflecken des Mondes und der Straßenlaternen hin und her. Ihr musste doch klar sein, wie leicht sie ihn abschütteln und im Schatten verschwinden konnte.
Sie machte sich über ihn lustig.
Schließlich bog sich nach links in eine Gasse ab. Grubb folgte ihr. Die Füße taten ihm weh, seine Beine schmerzten und er bekam kaum noch Luft.
Als er schließlich selbst um die Ecke bog, war die Katze verschwunden. Vornübergebeugt blieb er stehen, rang nach Luft und fluchte stumm vor sich hin. So viel dazu. Es war ohnehin verrückt gewesen, sich einzubilden, er könnte sie fangen.
«So, so», sagte die Stimme des Gestaltwandlers. Und da war er, hockte über ihm auf einem niedrigen Hausdach und hatte eine Pfote auf das Päckchen gelegt. «Du bist also immer noch da. Was bist du doch für ein seltsamer kleiner Kerl. Hast du Lust, etwas Anspruchsvolleres auszuprobieren?» Er nahm das Päckchen wieder ins Maul und trottete ein kleines Stück über das Dach, als wollte er Grubb herausfordern, ihm zu folgen.
Er wusste, dass er besser aufgeben sollte. Doch die Katze ging ihm auf die Nerven mit ihrem Geschlender, ihrer Selbstsicherheit und ihrer spöttischen Stimme. Er konnte sie nicht entkommen lassen.
Das Dach war nicht allzu hoch, und darunter befand sich ein Stapel Holzkisten. Grubb schob sie gegen die Wand und kletterte hinauf. Unbeholfen packte er die Regenrinne und hievte sich aufs Dach, wobei die Stickereien auf seiner neuen Jacke auf eine ordentliche Zerreißprobe gestellt wurden. Dann richtete er sich auf und spürte die kühle, frische Brise im Gesicht.
Für einen kurzen Moment blickte er in die funkelnden Augen der Katze, dann war sie verschwunden. Grubb krabbelte die Dachschräge hinauf und rutschte auf der anderen Seite wieder hinunter. Er sprang auf das nächste Hausdach und zwang sich, nicht darüber nachzudenken, was er gerade tat. Er rutschte auf den Dachziegeln aus, von denen sich einige lösten und unten in der Gasse zerschellten.
Als er den First des nächsten Daches erreichte, erhaschte er einen Blick auf die Stadt, die sich um ihn herum ausdehnte. Hier und da ragten ein Türmchen, eine Fahnenstange oder ein hölzerner Kran über den Häusern auf. Hoch oben am Himmel explodierten Feuerwerkskörper und erhellten die Silhouette der Stadt. Und rechts von ihm, in der Ferne, befand sich der Hafen mit seinem schwankenden Wald aus Masten. In diesen wenigen Augenblicken sah er mehr von Port Fayt, als er in der
Beinlosen Nixe
in sechs Jahren gesehen hatte. Dann sprang er auf das nächste Dach und krabbelte über die Dachziegel nach oben. Irgendetwas nagte in seinem Hinterkopf – Angst vielleicht –, doch was es auch war, es schien nicht mehr wichtig zu sein.
Die Katze befand sich nach wie vor knapp vor ihm und rannte und sprang so behände, dass sie fast über die Dächer zu fliegen schien. Doch irgendwie hielt Grubb mit ihr Schritt. Sie sprangen auf das vierte und das fünfte Haus. Grubbs Atem ging stoßweise, seine Muskeln brannten, und er hatte sich die Knie an den Regenrinnen aufgeschlagen. Doch all das spielte keine Rolle. Er konnte die Katze einholen. Er
wusste
, dass er es konnte, und merkte, dass er grinste.
Die Kluft zwischen dem fünften und dem sechsten Haus war größer als die anderen, aber wenn eine Katze hinüberkam, dann schaffte ein Koboldjunge das ebenfalls. Grubb sprang ab und warf dabei einen flüchtigen Blick in die Gasse unter sich.
Sein Herz machte einen Satz.
Was war nur in ihn gefahren? Warum, in Thalins Namen, lächelte er? Es konnte unmöglich so weit springen. Unmöglich …
Mit einem schrecklich knirschenden Geräusch landete er auf dem anderen Hausdach.
«Aaaaah!»
Irgendetwas stimmte nicht. Ein heißer Schmerz durchzuckte sein Fußgelenk.
Er fasste hin und verlor das Gleichgewicht. Ihm wurde übel, als er
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