Die Dämonenwache. Kampf um Port Fayt (German Edition)
kleine Erinnerung daran, wer das Fest bezahlte. Tabitha schnappte sich eines und biss hinein. Weiche rote Füllung quoll heraus, und die Krümel fielen auf das Deck. Es schmeckte köstlich.
Kauend stieg Tabitha die Stufen zum Poopdeck hinauf und gesellte sich zu einer kleinen Gruppe, die sich um den Einarmigen Wallis versammelt hatte, einen Fischer aus dem Ort, der sich um den Feuerwerkskörperbestand des Schiffes kümmerte.
«Das hier, Ladys und Gentlemen, ist das Feuerwerk der Feuerwerke!», rief er und zeigte auf eine riesige bunte Rakete. «Wartet nur, bis ihr sie seht: Die zieht euch die Schuhe aus. Da beißt der Hai kein’ Faden ab!»
«Wie sieht sie denn aus?», rief jemand.
Wallis tippte sich bedeutungsvoll auf die Nase. «Tja, das würdet ihr gern wissen, was? Wenn ihr sie seht, wisst ihr es. Ich nenne sie die Brennende Nancy. Die heben wir uns für später auf – für das große Finale. Wartet’s nur ab.»
Tabitha spürte, wie sich ihr eine schwere Hand auf die Schulter legte, und als sie den Kopf hob, blickte sie in Franks großes, grünes Grinsegesicht.
«Hallo, junge Dame. Hast du nicht eine Aufgabe zu erfüllen?»
Sie verdrehte die Augen, duckte sich unter ihm weg und stopfte sich den letzten Rest des Törtchens in den Mund. Wenn sie Clagg schon nicht selbst nachstellen durfte, dann würde sie wenigstens der beste Wachposten sein, den die Dämonenwache je gehabt hatte. Sie lief zum Geländer am vorderen Ende des Poopdecks, wo sie das gesamte Schiff gut überblicken konnte.
Es gab noch viele andere Dinge zu sehen, außer den Tänzern. Clowns, Schnapshändler, Spiele … jemand hatte sogar eine Zielscheibe für einen Wettbewerb im Messerwerfen angebracht. Muskulöse Seemänner drängelten sich darum, es zu versuchen, und versenkten mit ihren tätowierten Armen eine Klinge nach der anderen in der aufgemalten Scheibe. Tabitha wünschte, sie könnte mitmachen und ihnen zeigen, wie es wirklich funktionierte.
Sie
würde mit Sicherheit gewinnen.
Sie schob den Gedanken fort, schaute über die Köpfe der Feiernden und suchte die wenigen Schwarzmäntel heraus, die ebenfalls an Bord waren. Sie schienen damit beschäftigt zu sein, sich zu amüsieren, was bedeutete, dass sie der Dämonenwache keine Schwierigkeiten machen würden. Gut.
Als Nächstes suchte sie die anderen Wächter. Old Jon stand, rauchend wie immer, auf dem Vorderdeck und nickte vor sich hin, während ein anderer alter Elf hektisch auf ihn einredete. Ganz in der Nähe stand Paddy und plauderte mit einem Fiedler, der gerade nichts zu tun hatte. Er fing ihren Blick auf und zwinkerte ihr zu. Als Letztes entdeckte sie das Auf und Ab von Hals glattem braunem Haarschopf und Newtons kahlem Schädel, während sich die beiden durch die Menge zur Tür hinüberschlängelten, die unter Deck führte.
Alles ging perfekt nach Plan. Tabitha seufzte und lehnte sich schlaff ans Geländer. Es sah ganz danach aus, als würde es ein weiterer langweiliger …
Moment.
Dort unten war noch jemand, nur wenige Schritte hinter Hal. Eine menschliche Gestalt, grau verhüllt und mit einer Kapuze. Langsam, aber gezielt folgte sie den beiden.
Tabitha beugte sich vor und umklammerte das Geländer. Wer immer das war, hatte zwar keinen Wert darauf gelegt, sich zu verkleiden, sich aber die Mühe gemacht, das Gesicht zu verbergen. Das war höchst verdächtig. War es Phineus Clagg? Oder die Person, die Phineus Clagg treffen sollte?
Mit klopfendem Herzen sah Tabitha zu, wie die grauverhüllte Gestalt die Tür öffnete, durch die Newton und Hal soeben getreten waren, um in der dahinterliegenden Dunkelheit zu verschwinden.
Das war sie, ihre Chance! Sie war der Wachposten, oder etwa nicht? Also hatte sie die Aufgabe aufzupassen. Und Newt hatte ihr nicht gesagt, was sie tun sollte, wenn ihr etwas verdächtig vorkam. Also lag es bei ihr. Wahrscheinlich. Oder falls nicht, hatte er sich nicht klar genug ausgedrückt.
Sie schob sich abermals durch die Menge und die Treppe hinunter in Richtung Tür und überprüfte dabei, ob sie ihre Messer noch hatte. Dann zog sie die Tür auf und trat ein.
Der Lärm des Festes wurde leiser, als Tabitha die hölzernen Stufen in den Rumpf der
Zornigen Rache
hinabstieg. Ganz allmählich gingen das Geplapper und die Musik in das langgezogene unheimliche Ächzen des Schiffes über, das sanft auf den Wellen schaukelte. Tabitha zwang sich, langsam und regelmäßig zu atmen. Sie bewegte sich lautlos und lauschte so konzentriert wie möglich, konnte
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