Die Dämonenwache. Kampf um Port Fayt (German Edition)
Aber einmal in der Woche hatte sie ihn in die Stadt mitgenommen – zum Feenmarkt, zur Juckbohnenbörse und zu Mr. Harrisons Spielzeug-Emporium. Arabella Wyrmwood war das einzige Kind von Jesaia Wyrmwood, dem Geschäftsführer der Gargoyle-Handelsgesellschaft, und es war ihre Aufgabe, die Interessen der Gesellschaft in Port Fayt zu vertreten. Daher waren dem jungen Eugene einmal pro Woche ein paar Minuten im Spielzeug-Emporium vergönnt, während Arabella mit dem Wichtel sprach, dem es gehörte.
Selbst jetzt konnte er den Laden noch vor sich sehen, als würde er mittendrin stehen. Die Reihen der baumelnden Marionetten, die Berge leuchtend roter Bälle, die Reifen, Springseile und Pfeifen … Und das Beste von allem, die Soldatenpuppen, fein säuberlich aufgereiht, alle in den gleichen feschen Milizuniformen und mit glatten, lächelnden Gesichtern. Ganz anders als in Wirklichkeit, wo die Schwarzmäntel, die er auf der Straße sah, Streitereien anzettelten, sich betranken und Diebe zusammenschlugen. So viel besser als die Wirklichkeit.
Einmal hatte er es ausgesprochen, als sie das Geschäft verließen und seine Mutter ihn fest an der Hand hielt. Er hatte ihr erzählt, wie sehr ihm die Milizsoldaten gefielen und wie sehr er sich wünschte, auch so eine Puppe zu besitzen.
Nur dumme Kinder geben sich mit Spielzeug ab
, hatte sie zu ihm gesagt.
Gouverneur Wyrmwood runzelte die Stirn unter dem feuchten Tuch.
Er wurde regelrecht besessen von ihnen. Nach diesem Tag hatte er nur noch Augen für die Soldatenpuppen, wenn sie das Geschäft aufsuchten. Er stand da und starrte sie sehnsüchtig an, bis sie wieder gehen mussten.
Eines Tages sah ein junges Elfenmädchen die Soldatenpuppen, lief hin, nahm sich eine, und ihr Vater kaufte sie ihr mit einem Lächeln. Eugene wurde das Herz schwer, und er hasste das kleine Mädchen und hatte danach eine Woche lang ein schlechtes Gewissen, weil das Mädchen im Grunde nichts dafürkonnte.
Danach war sein Verlangen stärker denn je.
Dann kam der Tag – jener Tag, den er niemals würde vergessen können. Seine Mutter hatte ihm befohlen, zu warten und nichts anzufassen, während sie und Mr. Harrison zum Reden ins Hinterzimmer gegangen waren. Allein und unbeobachtet ließen sie ihn im Laden zurück.
Eine Minute verging. Sein Herz raste.
Zwei Minuten. Seine Hände waren feucht von Schweiß.
Drei Minuten. Konnte er das tun? Er hatte sich noch nie einfach etwas genommen. Sich seiner Mutter noch nie widersetzt. War noch nie auch nur für einen Moment ungehorsam gewesen.
Die Tür zum Hinterzimmer ging auf, und ohne nachzudenken, streckte Eugene die Hand aus, nahm die nächstbeste Puppe und stopfte sie in seinen Schulranzen. Dabei streifte er mit der Hand die nächste Puppe in der Reihe und verschob sie ein wenig von ihrem Platz.
Seine Mutter kam in den Laden, gefolgt von Mr. Harrison.
«Komm», sagte sie. «Wir haben hier genug Zeit verschwendet. Zurück zu deinen Büchern.»
Eugene nickte, und sein Gesicht brannte. Er konnte das, was er getan hatte, unmöglich verbergen. Seine Mutter würde es herausfinden. Dann sah er, dass Mr. Harrison auf etwas aufmerksam wurde. Es war die Puppe, die Eugene ein klein wenig verschoben hatte. Mr. Harrisons Augen blickten von Eugenes Ranzen hinauf in sein Gesicht.
Er wusste es.
Am lebhaftesten erinnerte sich Eugene an das, was dann geschah.
Der alte Wichtel lächelte. Er lächelte und nickte.
Es war in Ordnung. Es würde alles gut werden.
Dann gingen sie fort, die Puppe sicher in Eugenes Ranzen, seine Hand fest umklammert von der seiner Mutter.
Gouverneur Wyrmwood nahm das feuchte Tuch vom Gesicht und sah zu der Puppe hinab. Sie hatte den gestrickten Dreispitz und die winzige Holzmuskete verloren. Der schwarze Mantel war fast vollständig zerschlissen, und eines ihrer Augen hing schief.
Er drückte die Puppe fest an sich, fester als je zuvor, während ihm eine Träne über die Wange lief. Aus irgendeinem Grund schien sie ihn immer zu trösten.
Nur dumme Kinder geben sich mit Spielzeug ab.
Zwischenspiel
E s ist ein prächtiger Sommertag, und ein Pärchen spaziert Arm in Arm am Kai entlang. Seeleute und Hafenarbeiter nicken ihnen zu, wenn sie vorübergehen, tippen grüßend an ihre Mützen und lächeln.
Tabitha weiß, dass sie träumt, weil das Pärchen ihre Eltern sind.
Ihr Vater macht einen Scherz, und ihre Mutter lacht. Sie sehen genau so aus, wie sie sich die beiden immer vorgestellt hat. Er – groß und breitschultrig,
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