Die Daemonin des Todes
ihrer Privatsphäre hatte zu Peppers Kosten senkenden Maßnahmen gehört, ein Überbleibsel aus jener Zeit, als sie noch für das College gespart hatte, und an dem sie weiter festhielt, obwohl inzwischen klar war, dass das College nicht mehr zu ihren Langzeitplänen gehörte.
Tanisa arbeitete zwei Tage die Woche als Maniküre in Jada’s Nails und drei Tage die Woche in Barron’s Bazaar, wo sie Orientteppiche verkaufte. Zu ihrer Überraschung hatte sie festgestellt, dass sie eine gute Verkäuferin war. Und als Mr. Barron ihr einen Vollzeitjob in seinem größeren Geschäft in Los Angeles anbot, ergriff sie die Chance sofort.
Nach Feierabend eilte sie nach Hause, um Pepper ihre Kündigung zum Ersten des nächsten Monats zu geben. Es war nicht unbedingt notwendig, da ihre Wohngemeinschaft bislang ohne derartige Formalitäten ausgekommen war, aber Tanisa hielt es im Interesse ihrer Freundschaft für das Beste.
Allerdings tauchte Pepper nicht auf. Nicht nach der Arbeit und auch nicht dann, als es eigentlich Zeit für sie wurde, zur Bibliothek zu fahren und den Kids vorzulesen.
Und so gab Tanisa eine Vermisstenanzeige auf, sobald die Cops bereit waren, ihr zuzuhören. Sie schrieb eine Nachricht für Pepper und hinterließ ihr die Adresse einer Freundin, die in Brea lebte. Dann packte sie all ihre Sachen zusammen und fuhr mit einem Taxi zum Busbahnhof.
Als sie nichts mehr von Pepper hörte, nahm Tanisa schlicht an, dass Pepper wegen ihres überstürzten Auszugs wütend auf sie war, und vergaß sie bald.
Da niemand mehr Nachfragen stellte, wurde Pepper auch von der Sunnydaler Polizei vergessen.
Mitten in einem heftigen Hustenanfall hörte Joyce Buffy hereinkommen. Die Küchentür fiel laut ins Schloss, und Joyce hielt sich das Papiertaschentuch vor den Mund und kämpfte gegen den übermächtigen Drang an, sich die Eingeweide aus dem Leib zu husten. Sie war zutiefst beunruhigt, wie sehr sich ihr Zustand seit dem Morgen verschlechtert hatte. Ich hätte um jeden Preis versuchen müssen, einen Termin bei Dr. Martinez zu bekommen, schalt sie sich. Wenn schon nicht wegen mir, dann wegen Buffy.
Sie blickte von dem John-Updike-Roman auf, den sie las. Nein, nicht las. Seit einer Stunde starrte sie auf ein und dieselbe Seite.
Ich habe mir Sorgen um Buffy gemacht, rechtfertigte sie sich. Und obwohl dies stimmte - sie machte sich meistens Sorgen um Buffy -, ertappte sie sich immer wieder dabei, wie sie an den Termin bei ihrem Arzt am nächsten Morgen dachte.
Buffy blieb in der Tür zu ihrem Schlafzimmer stehen und rief leise: »Mom? Ich bin zu Hause. Es ist alles okay.«
»Danke, Schatz«, rief sie matt zurück. »Hast du Hunger?«
»Nö. Ich will bloß ins Bett.«
»In Ordnung. Schlaf gut.«
»Du auch, Mom.«
»Das werde ich.«
Eine Pause trat ein, und dann fragte Buffy: »Um wie viel Uhr hast du deinen Termin?«
»Halb elf.«
»Oh.« Buffy klang enttäuscht.
»Schlaf gut«, sagte Joyce wieder.
»Dann gute Nacht.« Buffy war offenbar beunruhigt.
Joyce blickte wieder in ihren Updike-Roman.
Also, wo war ich stehen geblieben?
Am Morgen verschlief Joyce - was ihr nur selten passierte - und als sie endlich aufstand, war Buffy bereits zur Schule gegangen. Joyce war enttäuscht. Sie hätte von Buffy gerne gehört, dass sie ihr Glück wünschte, und auch eine Umarmung wäre schön gewesen. Stattdessen zog sie sich an, fuhr zum Ärztehaus und ging in Gedanken noch einmal ihre verschiedenen Symptome und Schmerzen daraufhin durch, ob sie einer Erwähnung wert waren. Jedes Mal, wenn sie wegen irgendwelcher Beschwerden einen Arzt aufgesucht hatte, hatte ihr Exmann gestichelt, dass sie an der »Krankenhausserien-Krankheit« litt: Im Fernsehen vergaßen die Patienten gewöhnlich das eine entscheidende Symptom zu erwähnen, das dann schließlich fast zu ihrem Tod führte. Wenn sie sich nur rechtzeitig an die kleine Beule am Ohrläppchen oder die anfänglichen Schmerzen in der Schulter erinnert hätten… aber dann war es zu spät. Oder fast zu spät. Bis auf die Tatsache, dass sie keine Gelegenheit gehabt hatte, mit Buffy zu sprechen, war der Morgen genauso, wie Joyce ihn sich vorgestellt hatte: Sie saß endlos lange im Wartezimmer und las alte Modemagazine. Sie enthielten unzählige Psychotests, die sie schließlich alle ausfüllte, weil sie bereits sämtliche Artikel gelesen hatte. Sie entdeckte, dass sie eine starke Persönlichkeit hatte und ihr dominanter Charakterzug »aufdringlich umsorgend« war.
Das kommt davon,
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