Die Daemonin des Todes
sie nicht und dankte der Direktorin auch nicht für ihre Fürsorge.
Stattdessen verließ sie umgehend das Büro, schwänzte den Rest des Unterrichts und rannte so schnell sie konnte zum Krankenhaus. Und rennen konnte sie schnell, sie war schließlich die Jägerin.
Schweißperlen glänzten auf ihrer Stirn, als sie ins Zimmer 401 stürmte. Der Vorhang vor dem Bett ihrer Mom war zugezogen.
»Mom?«, rief sie lauter, als sie es beabsichtigt hatte. Sie senkte ihre Stimme. »Mom?«
Ein Hustenanfall war die Antwort, gefolgt von einem: »Hi, Schatz. Komm her zu mir.«
Buffy war ungeheuer erleichtert. Okay, es geht ihr gut, sagte sie sich, war aber dennoch auf alles gefasst, als sie den Vorhang zurückzog.
Ihre Mutter saß aufrecht im Bett, die ausklappbare Platte eines Beistelltischs über ihrem Schoß. Darauf stand eine malvenfarbene Plastiktasse mit Strohhalm. In ihren Haaren entdeckte Buffy mehr graue Strähnen, als sie je zuvor bei ihr gesehen hatte, und sie wirkte blass und erschöpft. Ihre Nase war wund.
»Hallo«, sagte Buffy.
Mit einem gezwungenen Lächeln nahm ihre Mutter die Plastiktasse und trank einen Schluck. »Hi, Schatz«, antwortete sie. »Wie war es in der Schule?«
»Ziemlich schulisch. Lauter Schulkram.« Buffy war es plötzlich kalt. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und bemerkte, dass ihr außerdem ein wenig schwindlig war. In ihrem Hals kratzte es.
Oh nein, dachte sie. Jetzt werde ich auch noch krank. Ich darf nicht krank werden. Ich bin die Jägerin. Und ich bin ihre Tochter.
Ich muss mich um sie kümmern.
Ihre Mutter schien nichts bemerkt zu haben. Sie hustete und schniefte, räusperte sich und klopfte aufs Bett.
»Setz dich, Buffy.«
Langsam setzte sich Buffy aufs Fußende des Bettes. Sie fröstelte. Ihr Gesicht glühte.
»Ich bin heute Morgen geröntgt worden. Man hat einen Knoten in meiner Lunge entdeckt«, sagte Joyce bedächtig.
Buffy wollte stark sein, keine Reaktion zeigen. Willow hatte versucht, sie darauf vorzubereiten, aber in der Realität damit konfrontiert zu werden, war etwas völlig anderes. Ein Knoten. Was zum Teufel soll das heißen? Ein Wort drängte sich in ihr Bewusstsein, aber sie wollte es nicht akzeptieren, wollte es nicht aussprechen, nicht einmal denken.
Das Wort war Tumor.
Buffy holte tief Luft und nickte. »Und was jetzt?«
»Heute Abend wird eine Computertomographie gemacht. Danach wird man mir mehr sagen können.«
»Mehr über was?«
Joyces Lächeln war voller Sorge. »Woran ich erkrankt bin.«
Buffy wollte etwas sagen, aber sie brachte kein Wort heraus. Sie wusste nicht einmal, ob sie noch atmete.
»Dr. Coleman ist eine Onkologiespezialistin«, fuhr Joyce fort. »Das bedeutet, dass sie eine…«
»Ich weiß, was Onkologie ist«, unterbrach Buffy. Ihre Stimme klang schrill und trotzig, die Stimme eines typischen Einzelkindes, das daran gewöhnt war, nur mit dem Fuß aufstampfen und sich in einen Wutanfall hineinsteigern zu müssen, um das zu bekommen, was es wollte.
In diesem Fall seine Mom.
Joyce nahm Buffys Hand. »Ich weiß, dass du Angst hast, Schätzchen. Mir geht es genauso.« Sie lachte kurz. »Ich schätze, das sieht man mir an.«
»Mom«, sagte Buffy unbehaglich. »Ich… es geht hier um dich. Ich bin okay.«
Joyce legte den Kopf zur Seite. »Ich habe heute mit Mr. Giles gesprochen.« Sie schloss kurz die Augen und öffnete sie dann wieder. »Er ist nicht weiter ins Detail gegangen, aber ich weiß, dass du einer großen Bedrohung gegenüberstehst. Ich will keine zusätzliche Last für dich sein. Ich weiß, dass du einen größeren Kampf kämpfst.«
Buffys Augen wurden feucht. »Es ist ein anderer Kampf. Kein größerer.« Es kann keinen größeren geben. »Wieso denken sie, dass du…?«
»Dass ich Krebs habe?«, sagte Joyce frei heraus. Buffy biss sich auf die Unterlippe, senkte den Blick und starrte auf die Hand ihrer Mutter. »Wenn man den Namen des Ungeheuers kennt, kann man es bekämpfen.«
Buffy war beschämt. Meine Mutter ist viel tapferer, als ich es je gewesen bin.
»Oh, Buffy«, sagte Joyce. »Hab keine Angst. Es wird alles gut.«
Buffys Scham wuchs, als die Tränen über ihr Gesicht liefen. Sie vergrub ihr Gesicht an der Schulter ihrer Mutter, um zu verbergen, dass sie weinte. Sie öffnete den Mund, um ihre Mutter zu trösten und ihr zu sagen, dass sie keine Angst hatte, aber sie brachte nicht ein einziges Wort heraus. Ihre Kehle war so zugeschnürt, dass sie kaum noch atmen konnte. Sie nickte stumm.
In dieser
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