Die Dame aus Potsdam
einer großkalibrigen Pistole. – Das Ganze sah nach Selbstmord an historischer Stätte aus.
Der Jogger federte herum und spurtete in Richtung Regierungsviertel, von wo er seine morgendliche Runde begonnen hatte. Ein abermaliger Heulton erinnerte ihn daran, daß sein vierbeiniger Begleiter noch am Baumstamm festsaß. Also zurück, das Tier losbinden und mit raumgreifenden Schritten zum nächsten Telefon. Perleberg wußte, daß die Baubaracke an der Charles-de-Gaulle-Straße schon besetzt war.
Der aufgeregte Rüde sprang beim Laufen immer wieder seinen Herrn an. Nicht einmal energische Befehle hielten ihn zurück. Erst ein kräftiger Schlag mit der Leine machte dem Tier klar, daß es diesmal nicht um ein Spiel ging.
»Hallo!« rief der heftig atmende Läufer dem Mann mit dem gelben Sturzhelm zu, der sich anschickte, mit einer Zeichnung in der Hand die Baustelle zu inspizieren. »Ich brauche dringend Ihr Telefon!«
»Und wozu? – Wollen Sie Ihren Hund einfangen lassen?« kam die burschikose, aber nicht unfreundliche Gegenfrage.
Regierungsrat Perleberg warf zur Erklärung nur die Worte hin: »Selbstmord am Bismarckturm.«
»Au verdammt – und das auf nüchternen Magen«, sagte der Mann vom Bau und schob seinen Helm zurück. »Der graue Apparat rechts hat einen Amtsanschluß.«
In der Baracke roch es nach Holz, Schweiß und Mörtelstaub. Der Hund schnüffelte herum, diese Atmosphäre war ihm fremd. Als er sein Bein heben wollte, um die richtige Duftmarke zu setzen, brüllte ihn sein Herr an: »Willst du wohl – pfui!« Der Rüde zog den Schwanz ein und drückte sich in die Ecke.
Der Ruf 110 ging ab. Sofort meldete sich die Einsatzleitstelle des Polizeipräsidiums. Der Regierungsrat war es gewöhnt, knappe und präzise Schriftstücke zu verfassen. So erstattete er auch eine druckreife Meldung des Vorfalls.
»Hier spricht Regierungsrat Perleberg aus der Baubaracke an der Charles-de-Gaulle-Straße. Ich bin beim Joggen am Bismarckturm im Rheinauenpark auf eine männliche Leiche gestoßen. Mittleres Alter, dunkles Haar, grau-blaue Kombination. Blutspuren deuten auf einen Schuß in die Brust hin. Die rechte Hand des Toten umfaßt eine Pistole.«
»Verstanden«, kam die Bestätigung vom Beamten am Funktisch. »Männliche Leiche am Bismarckturm. Ich schicke einen Streifenwagen raus und veranlasse alles Weitere. Bleiben Sie bitte vor Ort.«
»Ja, ich werde mich mit meinem Hund in der Nähe des Turms aufhalten und dafür sorgen, daß sich dort kein Unbefugter zu schaffen macht.«
»Bitte nichts anfassen und das Tier anleinen.«
»Mein Hund gehorcht aufs Wort!«
»Schon gut, danke.«
Ein kurzer Pfiff, und Jogger Perleberg trabte mit dem Rüden an der Leine den Weg zurück, den er gekommen war.
Der Mann mit dem gelben Schutzhelm griff nun auch zum Telefon. Jetzt konnte er einem guten Freund einen Dienst erweisen. Die Nachricht, die er durchsagte, war noch kürzer als die des unerwarteten Besuchers.
»Hallo, Mauser! Basewitz am Apparat. Ich hab’ was für dich.«
»Aber doch nicht um diese Zeit. Du weißt doch, daß ich so früh noch nicht klar denken kann.«
»Anständige Menschen verdienen um diese Stunde schon ihre Brötchen. Also hör zu: Am Bismarckturm liegt ein Toter mit Pistole in der Hand. Ein Jogger mit Hund hat ihn gefunden und vor noch nicht einer Minute von hier aus die Polizei alarmiert.«
Plötzlich dröhnte es laut in der Hörmuschel: »Mensch, das ist ja ‘n Ding! – Jetzt wollen wir mal sehen, wer schneller ist, Presse-Mauser oder die Polizei. Danke – bis gleich.«
Kriminalhauptkommissar Walter Freiberg hatte in Zimmer 306 des Polizeipräsidiums die Mitarbeiter des 1. Kommissariats um den großen Tisch versammelt. In der regelmäßig stattfindenden Frühbesprechung wurden die anstehenden Fälle analysiert und Arbeitsaufträge für die nächsten Stunden und Tage erteilt. Kriminalhauptmeister Wolf gang Müller, bei Kollegen und Ganoven als »Lupus« bestens bekannt oder gefürchtet, sollte anschließend zwei Zeitgenossen verhören, die beim Einbruch in ein Nachtlokal den dort schlafenden Kneipier durch Schläge mit einer Eisenstange auf den Kopf zur Herausgabe der Einnahmen gefügig gemacht hatten. Der Mann hatte dem Eisen nicht widerstehen können und sein Interesse am Geld für immer verloren – Exitus nach Notoperation.
»Meine Versuche, die beiden zum Sprechen zu bringen, sind fehlgeschlagen«, erklärte Peters und strich nervös über seine spärlich gewordenen Haare. »Die wollen
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