Die Dame aus Potsdam
so betrunken gewesen sein, daß sie sich an nichts erinnern können.«
Lupus, ein Mann von untersetzter Statur mit vollem graumeliertem Haar – ein Typ wie Mario Adorf, nur nicht ganz so verbindlich –, drückte seine etwas kurz geratenen Finger gegeneinander. »Was wollen die uns weismachen, Blackout bei 0,9 Promille? Denen werde ich den Arsch aufreißen. Mit Eisenstangen rumkloppen – so weit kommt’s noch!«
Kommissar Freiberg bremste den Eiferer. »Nun mach’s mal halblang. Mir wird immer angst und bange, wenn du die Masche Volkszorn abziehst. Du wirst mit denen kein Wort allein sprechen. Singer wird dir assistieren, und Fräulein Kuhnert übernimmt das Protokoll. – Kapiert? In Gegenwart einer Dame wirst du dich ja wohl am Riemen reißen.«
Als Fräulein Kuhnert, die schreib- und telefonierkräftige Seele des 1. Kommissariats und »Kommissarin im Ehrenamt«, Kaffee in die angeschlagenen Tassen nachschüttete, kam über Telefon die Mitteilung vom Leichenfund am Bismarckturm mit dem Zusatz: »Sieht nach Selbstmord aus.«
Freiberg hatte den Lautsprecher angeschaltet, so daß alle Mitarbeiter informiert waren. »Lupus, das Schicksal meint es gut mit dir. Ahrens fährt uns beide raus; Peters und Singer nehmen sich noch mal die widerspenstigen Eisenschläger vor.«
»Kein so guter Tausch«, sträubte sich Lupus. »Du weißt doch, ich kann beschädigte Leichen nur schwer ertragen – und so früh am Morgen schon gar nicht.«
»Komm, mein Freund! Ein Wolf in der Mordkommission, der kein Blut sehen kann, ist ein Widerspruch in sich. Wenn du dich nicht zur Sitte oder zum Diebstahl versetzen lassen willst, darfst du hier nicht jammern.«
Freiberg fluchte, als er sein Schulterholster anlegte und die 9-mm-Sig-Sauer einsteckte. »Was für ein Quatsch, daß wir immer die Kanonen rumschleppen müssen.« Das Werkzeug verschwand unter der Cordjacke. Nur ein Kennerauge konnte wahrnehmen, daß unter der Ausbeulung keine Brieftasche steckte.
»Auf geht’s! Wir dürfen Herrn Bismarck und seinen toten Freund nicht warten lassen.«
Mauser, der journalistische Irrwisch aus der Bonner Presseszene, brach wieder einmal alle Rekorde. Er mußte das Kunststück fertiggebracht haben, während der Fahrt in die Klamotten zu steigen. Jedenfalls hatte er eines seiner stadtbekannten karierten Hemden an und darüber die mit Knebeln und Schlingen gehaltene Lederweste. Der Fotoapparat mit dem 28-75er Zoomobjektiv baumelte auf seiner Brust.
Mit dem Uraltporsche preschte er über die Fußgängerwege bis wenige Meter vor das Ehrenmal. Als sich ihm der Jogger mit Hund in den Weg stellte, herrschte er ihn an: »Bitte zur Seite – Platz für den Tatortfotografen!« Er umkreiste die Leiche und schoß in schneller Folge Dutzende von Aufnahmen mit und ohne Blitz.
Perleberg hatte alle Hände voll zu tun, das wütend kläffende Tier zurückzuhalten. Schließlich durfte die Arbeit der Polizei nicht behindert werden. Verwunderlich fand er nur, daß der Fotograf schneller da war als der avisierte Streifenwagen.
»Und diese wilde Bestie hat den Toten gefunden?« fragte Mauser.
»Ja, an meiner Seite«, betonte Perleberg.
Wieder klickte der Kameraverschluß. Herr und Höllenhund waren im Kasten.
Von weitem schon war das Martinshorn des am See entlangkommenden Streifenwagens zu hören. Blaulicht und Sirene hatten den Rüden völlig aus der Fassung gebracht. Regierungsrat Perleberg ging den Beamten einige Schritte entgegen und meldete: »Ich habe das Präsidium informiert. Dort liegt der Tote. Alles ist unverändert.«
»Bis auf den rasenden Reporter. Sie sollten doch niemanden an die Leiche heranlassen.«
Perleberg sah sich um. »Das ist doch der Polizeifotograf…«
Der Beamte lachte laut auf: »Dieser Quirl? Kennen Sie Herrn Mauser nicht? Na, das wird schöne Bilder geben: Rasender Hund findet Leiche, Jogger mitgerissen – oder so ähnlich. Hat der Hund vielleicht an dem Toten herumgeknabbert, als der da seine Aufnahmen gemacht hat?«
»Aber ich bitte Sie«, entrüstete sich Perleberg. »Das geht nun wirklich zu weit. Ich habe meine Pflichten als Staatsbürger erfüllt.«
»Schon gut – sollte ja nur ein Scherz sein.« Die beiden Beamten sicherten den Fundort, indem sie weiß-rote Plastikbänder von Baum zu Baum spannten. Perleberg gelang es nur mühsam, seinen Hund zu beruhigen.
»Wir können ja schon mal Ihre Personalien aufnehmen«, sagte der ältere Beamte. »Das andere ist Sache der Kripo.«
Perleberg winkte mit einer
Weitere Kostenlose Bücher