Die Dame aus Potsdam
Bescheid!«
»Nicht nötig«, stellte Lupus lapidar fest, »da unser Jungkommissar sie ohnehin entwischen läßt.«
Freiberg grinste. »Aber die sollen trotzdem merken, daß wir noch mit im Spiel sind. Wir werden sie für morgen früh neun Uhr zur Abschlußvernehmung vorladen. Dann können wir der trauernden Witwe auch eröffnen, daß die Leiche des Ehemannes zur Bestattung freigegeben worden ist. Peters, Kuhnertchen, kümmert euch mal drum. So, mein Freund Lupus, jetzt auf zu Ilse Mühlberg.«
Kommissar Freiberg hatte sich trotz der Müdigkeit ans Steuer von UNI 81/12 gesetzt. Auf die Langsamfahrt von Lupus war er nicht erpicht. Es ging quer durch die Stadt zum Potsdamer Platz, der bei den Bonnern immer noch Verteilerkreis genannt wurde.
Bei den Gebäuden der Firma Hartenstein Kfz-Zubehör schien der Geschäftsbetrieb zu ruhen. Die Tür zum Büro war verschlossen, und niemand war zu sehen. Auf das Klingeln erschien Ilse Mühlberg. Sie empfing ihre Besucher mit den Worten: »Ich habe Sie schon erwartet. Kommen Sie bitte herein.«
»Wir müssen Ihnen leider…«, setzte Freiberg zur Erklärung an.
Ilse Mühlberg winkte ab. »Ich weiß Bescheid. Jens Hartenstein hat in Potsdam Selbstmord begangen. Der Kurator vom Distel-Club, ein Herr Persmann, hat es mir vor einer Stunde telefonisch mitgeteilt. Ich habe gleich den Laden dichtgemacht und das Personal erst mal nach Hause geschickt. Hier wird sich ja wohl einiges ändern.«
Das klang nicht nach Trauer oder Verzweiflung.
Im Wohnzimmer ließ sich Freiberg erleichtert in einen Sessel fallen und schob sich ein Kissen in den Rücken.
»Darf ich Ihnen einen Cognac anbieten?« fragte Ilse Mühlberg und ging zum Schrank.
»Sie dürfen«, sagte Lupus mit seinem breitesten Lächeln. »Ich möchte nicht schon wieder unhöflich sein.«
Freiberg bat um ein großes Wasser, denn der im Übermaß genossene Kaffee rumorte im Magen und verlangte nach Verdünnung.
»Ich war inzwischen mit Herrn Sörensen beim Bundesamt für Verfassungsschutz«, erklärte Lupus. »Dort ist man an der Aufklärung der Todesfälle und an den Hintergründen höchst interessiert.« Er hob sein Glas. »Prost! – Ich denke, Sie sollten meinem Chef noch etwas mehr über Hartenstein erzählen.«
Kommissar Freiberg leerte das Glas Wasser in einem Zug. »Wir sollten uns zuerst Hartensteins Wohnung ansehen; wenn wir uns anschließend unterhalten könnten, würde das Bild von ihm für mich vielleicht deutlicher werden.«
Ilse Mühlberg stand auf. »Gern – gehen wir eine Etage höher.«
Die Dreizimmerwohnung bot ein Sammelsurium von neuer Moderne und Bürgerkitsch. Nur die Stereoanlage mit CD-Player hatte Format.
»Er liebte Marschmusik und Operetten«, erklärte die Lebensgefährtin.
Lupus sah in den Kleiderschrank und zog einige Schubladen auf. Nichts als der etwas wilde Krempel in einem Junggesellenhaushalt. Keine Bankauszüge, keine Rechnungen. »Gibt es andere Papiere oder Unterlagen?«
»Hier werden Sie nichts finden, im Büro übrigens auch nicht. Das weiß ich bestimmt. An Ihrer Stelle würde ich mich mal in seiner anderen Wohnung umsehen.«
»Nanu!« fuhr Lupus zornig auf. »Es gibt noch eine Wohnung? Warum haben Sie mir das nicht bei meinem ersten Besuch gesagt?«
»Weil Sie mich nicht danach gefragt haben, und« – Ilse Mühlberg lächelte ein wenig hinterhältig – »weil Jens noch nicht tot war.«
Kommissar Freiberg nahm den hingeworfenen Ball auf. »Sie mußten wohl auf die Kölner Rücksicht nehmen?«
»Vielleicht – aber ich möchte Sie doch bitten, mich aus dem Spiel zu lassen. Und was Hartensteins Ambitionen außerhalb des Zubehörhandels angeht: Da müssen Sie sich schon an die Leute wenden, die dafür zuständig sind. Ihr Herr Müller kennt sie ja.«
»Nun, Frau Mühlberg«, sagte Freiberg überaus freundlich, »wir sollten unsere Zeit nicht mit Rätseln und Andeutungen verschwenden. Ich denke, mein Kollege und ich sehen uns erst einmal in der anderen Wohnung um. Wo finden wir die?«
»Jenseits der Bahn in der Siemensstraße, gleich gegenüber dem Eingang zur Firma Sondertronic. Das Penthaus-Appartement im vierten Stock.«
»War Ihnen die Wohnung zugänglich?«
»Nein. Hartenstein hat mir unmißverständlich klargemacht, daß ich in diesen Räumen nichts zu suchen hatte. Aber ich habe mir einen Schlüssel besorgt; den können Sie gern mitnehmen. Er ist unten in meiner Wohnung.« Sie zog die Tür ins Schloß und ließ Freiberg und Lupus den Vortritt an der
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