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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Schaummützen. Auf das vom Winde gewiegte Schilf. Auf die farblose, trostlose Leere, die Leere, die die vergehende Legende zurückgelassen hatte.
    Über die Nase der Adeptin rann eine Träne.
    »Nimue   … War was?«
    »Ja, etwas war.« Sie schmiegte sich an ihn, blickte aber immer noch auf den See. »Sag nichts. Umarme mich und sag nichts.«
    Der Mann lächelte herablassend. »Ich weiß, was war«, erklärte er großsprecherisch. »Hat die Erde gebebt?«
    Nimue lächelte traurig. »Nicht nur«, sagte sie nach kurzem Schweigen. »Nicht nur.«
     
    Ein Blitz. Dunkelheit. Der nächste Ort.
     
    Der nächste Ort war finster, bedrohlich und widerwärtig.
    Ciri krümmte sich instinktiv im Sattel – sie war erschüttert, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Denn die Hufeisen Kelpies schlugen mit Schwung auf etwas schmerzhaft Hartes, Flaches und wie Fels Unnachgiebiges. Nach der langen Zeit des Dahingleitens im weichen Nichts war die Empfindung der Härte derart überraschend und unangenehm, dass die Stute wieherte und sich heftig zur Seite warf, wobei sie auf dem Untergrund ein Stakkato schlug, dass es in den Zähnen vibrierte.
    Die zweite Erschütterung, die metaphorische, erlitt der Geruchssinn. Ciri stöhnte und bedeckte Mund und Nase mit dem Ärmel. Sie fühlte, wie sich ihre Augen sofort mit Tränen füllten.
    Ringsum stand ein saurer, beißender, dichter und klebriger Gestank, ein derart erstickendes und entsetzliches Miasma, dasses sich nicht beschreiben ließ, an nichts erinnerte, was Ciri jemals gerochen hatte. Es war – dessen war sie sich freilich sicher – der Gestank von Leichen im letzten Stadium der Zersetzung, von Zerfall und Verwesung – wobei man den Eindruck gewann, dass das, was da verweste, zu Lebzeiten keineswegs besser gerochen hatte. Nicht einmal zur Zeit seiner Blüte.
    Sie krümmte sich in einem Brechreflex, den sie nicht beherrschen konnte. Kelpie schnaubte und warf den Kopf hin und her, verzog die Nüstern. Das Einhorn, das sich neben ihnen materialisierte, setzte sich auf die Hinterkeulen, sprang auf und schlug aus. Der feste Untergrund antwortete mit einer Erschütterung und mit lautem Echo.
    Ringsum war Nacht, eine dunkle und schmutzige Nacht, eingehüllt in die klebrigen und stinkenden Lumpen der Finsternis.
    Ciri schaute nach oben, suchte Sterne, doch oben war nichts, nur ein Abgrund, stellenweise erhellt von einem undeutlichen roten Widerschein wie von fernen Bränden.
    »Uups«, sagte sie und zog eine Grimasse, als sie spürte, wie sich der sauer-faulige Brasen auf ihren Lippen absetzte. »Äks! Falscher Ort, falsche Zeit! In jeder Hinsicht falsch!«
    Das Einhorn schnaubte und nickte, sein Horn beschrieb einen kurzen und heftigen Bogen.
    Der unter Kelpies Hufen knirschende Untergrund war Fels, aber ein seltsamer, geradezu unnatürlich ebener Fels, der einen intensiven Gestank von Verbranntem und schmutziger Asche verströmte. Es dauerte eine Weile, bis Ciri erkannte, dass das, was sie betrachtete, eine Straße war. Sie hatte genug von dieser unangenehmen und irritierenden Härte. Sie lenkte die Stute an den Straßenrand, der von etwas gekennzeichnet war, was einstmals Bäume waren, nun aber widerwärtige und kahle Skelette. Leichen, mit Streifen von Lumpen behängt wie mit den Überresten durchgefaulter Leichentücher.
    Das Einhorn warnte sie mit einem Wiehern und einem mentalen Signal. Doch es war zu spät.
    Gleich hinter der sonderbaren Straße und den verdorrten Bäumen begann ein Geröllhang und dahinter ein scharf abfallender Steinhang, fast ein Abgrund. Ciri schrie auf, hieb mit den Fersen in die Flanken der abrutschenden Stute. Kelpie warf sich herum, ihre Hufe stampften in dem, woraus der Geröllhang bestand. Das aber waren Abfälle. Größtenteils irgendwelche seltsamen Gefäße. Diese Gefäße barsten nicht unter den Hufeisen, knackten nicht, sondern platzten ekelhaft weich, klebrig, wie große Fischblasen. Etwas gluckste und begann zu blubbern, der ausbrechende Geruch warf Ciri beinahe vom Sattel. Kelpie wieherte wild und trat auf die Müllhalde ein, drängte hinauf zur Straße. Ciri würgte und klammerte sich an den Hals der Stute.
    Sie schafften es. Die unangenehme Härte der seltsamen Straße begrüßten sie mit Freude und Erleichterung.
    Am ganzen Körper zitternd schaute Ciri hinab auf den Hang, der an dem schwarzen Spiegel eines Sees endete, welcher den Boden der Senke ausfüllte. Die Oberfläche des Sees war tot und glänzte, als sei das kein Wasser, sondern

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