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Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See

Titel: Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Hasso Planck döste im Sattel.
    Wer guter Frauen Liebe hat,
    der schämt sich aller Missetat   …
    Die Reise verlief ruhig, und wer weiß, vielleicht wäre sie bis zu Ende ruhig geblieben, hätte der Ritter nicht gegen Mittag unterhalb der Landstraße die glänzende Wasserfläche eines Sees erblickt. Da aber am nächsten Tage Freitag war und es sich empfahl, sich rechtzeitig mit Fastenspeise zu versorgen, befahl der Ritter, zum Wasser hinabzureiten und nach irgendeinem Fischeranwesen Ausschau zu halten.
    Der See war groß, es lag sogar eine Insel darin. Niemand kannte seinen Namen, aber sicherlich hieß er Heiliger See. In diesem Heidenland hieß, so sonderbar es war, jeder zweite See heilig.
    Die Hufeisen knirschten über die Muscheln, die das Ufer bedeckten. Über dem See lag Nebel, doch man sah trotzdem, dass die Gegend verlassen war, es gab keine Spur von einem Boot, von Netzen oder einer Menschenseele. Wir werden woanders suchen müssen, dachte Heinrich von Schwelborn. Sonst hilft es eben nichts. Wir essen, was wir dabeihaben, und wenn es Rauchfleisch ist, und in Marienburg beichten wir, der Kaplan erlegt uns eine Buße auf, und fertig.
    Er wollte schon den Befehl erteilen, als ihm im Kopf unter dem Helm etwas zu rauschen begann und Hasso Planck gellendaufschrie. Von Schwelborn schaute hin und erstarrte. Und bekreuzigte sich.
    Er hatte zwei Pferde erblickt – ein weißes und ein schwarzes. Gleich darauf erkannte er aber, dass das weiße Pferd ein spiralförmig gewundenes Horn auf der Stirn hatte. Er sah auch, dass auf dem Rappen ein Mädchen saß, dessen graue Haare so gekämmt waren, dass sie eine Wange verdeckten. Die Gespenstergruppe schien weder den Boden noch das Wasser zu berühren – es sah aus, als schwebe sie über dem auf der Oberfläche des Sees liegenden Nebel.
    Der Rappe wieherte.
    »Uuups   …«, sagte das grauhaarige Mädchen ganz deutlich. »Ire lokke, ire tedd! Squaess’me.«
    »Heilige Ursula, Schutzherrin   …«, stammelte Hasso, bleich wie der Tod. Die Armbrustschützen waren mit offenen Mündern erstarrt, bekreuzigten sich.
    Von Schwelborn bekreuzigte sich ebenfalls, worauf er mit zitternder Hand das Schwert aus der Scheide zog, die unter der Sattelzier befestigt war.
    »Heilige Maria, Mutter Gottes!«, schrie er. »Steh mir bei!«
    Ritter Heinrich machte an diesem Tage seinen streitbaren Vorfahren, den von Schwelborns, keine Schande, auch nicht Dietrich von Schwelborn, der sich bei Damietta wacker geschlagen hatte und als einer von wenigen nicht geflohen war, als die Sarazenen herangaloppierten und einen schwarzen Dämon gegen die Kreuzfahrer losließen. Heinrich von Schwelborn gab dem Pferd die Sporen, dachte an den furchtlosen Vorfahren und ritt inmitten der unter den Hufen davonspringenden Muschelschalen auf das Phantom zu.
    »Der Orden und Sankt Georg!«
    Das weiße Einhorn bäumte sich wahrlich heraldisch auf, die Rappstute begann zu tänzeln, das Mädchen bekam es mit der Angst zu tun, das sah man auf den ersten Blick. Heinrich von Schwelborn attackierte. Wer weiß, wie das alles geendet hätte,wäre nicht plötzlich vom See her Nebel herangetrieben und das Bild der seltsamen Gruppe zerborsten, vielfarbig zerfallen wie ein von einem Stein getroffenes buntes Fenster. Und alles verschwand. Alles. Das Einhorn, das schwarze Pferd, das sonderbare Mädchen   …
    Der Hengst Heinrich von Schwelborns lief mit lautem Platschen ins Wasser, blieb stehen, warf den Kopf hin und her, schrie, knirschte mit den Zähnen auf der Gebissstange.
    Mit Mühe das ausbrechende Pferd beherrschend, ritt Hasso Planck zu dem Ritter. Von Schwelborn atmete schwer und keuchte, röchelte fast, und seine Augen quollen hervor wie bei einem Fastenfisch.
    »Bei den Gebeinen der Heiligen Ursula, der Heiligen Cordula und aller elftausend jungfräulichen Märtyrerinnen von Köln!«, stieß Hasso Planck hervor. »Was war das, edler Herr Ritter? Ein Wunder? Eine Erscheinung?«
    »Teufelswerk!«, stöhnte von Schwelborn, der erst jetzt entsetzlich erbleichte und mit den Zähnen klapperte. »Schwarze Magie! Zauberei! Eine verfluchte, heidnische und teuflische Sache   …«
    »Lasst uns lieber hier wegreiten, Herr. So schnell wie möglich   … Bis Pelplin ist es nicht weit, Hauptsache, wir kommen in den Bereich von Kirchenglocken   …«
    Direkt am Wald, schon über dem See, schaute sich Ritter Heinrich ein letztes Mal um. Der Wind trieb den Nebel auseinander, an Stellen, die nicht von der Wand des Waldes verdeckt

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