Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
im Keil herangaloppierenden Reiterei spritzten Sand, Kies und Grasnarbe weg. Die angreifenden Reiter schrien wie dieDämonen, fuchtelten mit den Waffen. Jarre drückte gegen die Pike, zog den Kopf zwischen die Schultern und schloss die Augen.
Ohne das Schreiben zu unterbrechen, verscheuchte Jarre mit einer heftigen Bewegung des Armstumpfes eine über dem Tintenfass kreisende Wespe.
Das Konzept Marschall Coehoorns scheiterte, seinen Flankenangriff hielt die heldenhafte Wyzimer Infanterie unter dem Heergrafen Bronibor auf, die für ihren Heroismus blutig bezahlte. Während aber die Wyzimer Widerstand leisteten, löste sich die Nilfgaarder Stellung am linken Flügel auf – die einen flohen, die anderen sammelten sich zu Haufen, um sich zu verteidigen, von allen Seiten umzingelt. Dasselbe ereignete sich plötzlich am rechten Flügel, wo die Standhaftigkeit der Zwerge und Condottieri schließlich die Wucht der Nilfgaarder überwand. Über der ganzen Front stieg ein einziger großer Triumphschrei empor, und neuer Kampfgeist erfüllte die Herzen der königlichen Ritter. Die Nilfgaarder aber verzagten, ihre Hände erlahmten, und die Unseren begannen, sie wie Erbsen zu zerquetschen, dass es nur so knackte.
Und Feldmarschall Coehoorn erkannte, dass die Bataille verloren war, sah, wie rings um ihn die Brigaden zersprengt wurden.
Und da eilten Offiziere und Ritter zu ihm, brachten ihm ein frisches Pferd und riefen, er möge davonreiten, um sein Leben zu retten. Doch furchtlos schlug das Herz in der Brust des Nilfgaarder Marschalls. »Es schickt sich nicht«, rief er und stieß die ihm gereichten Zügel fort, »es schickt sich nicht, dass ich wie ein Feigling vom Schlachtfeld fliehen sollte, wo unter meinem Befehl so viele gute Männer für den Kaiser gefallen sind.« Und hinzu fügte der tapfere Menno Coehoorn …
»Wir können uns nirgendwohin verdrücken«, fügte Menno Coehoorn ruhig und nüchtern hinzu, während er den Blick übers Feld schweifen ließ. »Sie haben uns von allen Seiten eingeschlossen.«
»Gebt Euren Mantel und den Helm, Herr Marschall.« Rittmeister Sievers wischte sich Schweiß und Blut vom Gesicht. »Nehmt meine! Steigt vom Schlachtross ab und nehmt meins … Protestiert nicht! Ihr müsst leben! Das Kaiserreich braucht Euch, Ihr seid unersetzlich … Wir, die Daerlaner, werden die Nordlinge angreifen, sie auf uns ziehen, Ihr aber versucht, Euch dort unten durchzuschlagen, unterhalb des Fischteiches …«
»Das übersteht ihr nicht«, murmelte Coehoorn, während er nach den ihm gereichten Zügeln griff.
»Das ist eine Ehre!« Sievers richtete sich im Sattel auf. »Ich bin Soldat! Von der Siebten Daerlanischen! Zu mir, Leute! Zu mir!«
»Viel Glück«, murmelte Coehoorn, während er sich den daerlanischen Umhang mit dem schwarzen Skorpion auf der Schulter überwarf. »Sievers?«
»Ja, Herr Marschall!«
»Nichts. Viel Glück, Junge.«
»Möge auch Euch das Glück hold sein, Herr Marschall. Vorwärts, Leute!«
Coehoorn blickte ihnen nach. Lange. Bis zu dem Augenblick, da Sievers’ Grüppchen mit Krachen, Gebrüll und Geschepper auf die Condottieri traf. Auf eine zahlenmäßig überlegene Einheit, der zudem sofort weitere zu Hilfe kamen. Die schwarzen Mäntel der Daerlaner verschwanden im Grau der Condottieri, alles versank in Staub.
Das nervöse Hüsteln de Wyngalts und der Adjutanten brachte Coehoorn zur Besinnung. Der Marschall zog Steigriemen und Sattelfender zurecht, brachte das unruhige Ross unter Kontrolle.
»Vorwärts!«, kommandierte er.
Anfangs hatten sie Glück. Am Ausgang des kleines Tals, das zu dem Flüsschen führte, verteidigte sich eine dahinschmelzende, zu einem waffenstarrenden Kreis zusammengedrängte Einheit von Überlebenden der Brigade »Nauzicaa«, auf die die Nordlinge momentan ihre ganze Wucht und Kraft konzentrierten, wodurch eine Lücke in der Umzingelung entstanden war. Ganz glatt, versteht sich, ging es nicht – sie mussten sich durch eine Rotte leichte freiwillige Reiterei schlagen, nach den Abzeichen zu urteilen, aus Brugge. Der Kampf war ganz kurz, aber heftig. Coehoorn hatte schon jeden Rest und Anschein pathetischen Heldentums verloren und abgeworfen; jetzt wollte er nur noch überleben. Ohne die Eskorte, die sich mit den Bruggern schlug, auch nur eines Blickes zu würdigen, preschte er mit den Adjutanten zum Flüsschen, flach an den Hals des Pferdes geschmiegt.
Der Weg war frei, hinter dem Flüsschen, hinter den krummen Weiden
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