Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Rhundurin.
»Geralt …«, stöhnte der Dichter herzzerreißend.
»Gut«, sagte der Hexer und ging zum Ausgang. »Aber das istdas letzte Mal! Der Schlag soll mich treffen, das ist nun wirklich das letzte Mal!«
Er trat auf die Veranda, dann sprang er schon von ihr herab, wobei er mit einem schnellen Hieb einen Halunken in einem Maurerkittel aufschlitzte, der mit der Kelle nach einer Frau schlagen wollte. Dem zweiten hieb er die Hand ab, die jener in die Haare der anderen Frau gekrallt hatte. Die den gestürzten Zwerg mit Füßen traten, streckte er mit zwei schnellen, schräg geführten Hieben nieder.
Und er ging in die Menge. Schnell, in Halbdrehungen herumwirbelnd. Er führte mit Absicht weite, scheinbar ungeordnete Schläge – er wusste, dass solche Schläge blutiger und spektakulärer sind. Er wollte sie nicht töten. Er wollte sie nur ordentlich verwunden.
»Ein Elf! Ein Elf!«, heulte jemand in der Menge wild auf. »Schlagt den Elf tot!«
Das ist übertrieben, dachte er; Rittersporn vielleicht, aber ich habe mit einem Elf überhaupt keine Ähnlichkeit.
Er machte den ausfindig, der geschrien hatte, wohl einen Soldaten, denn er trug einen Brustpanzer und hohe Stiefel. Er schob sich in die Menge wie ein Aal. Der Soldat verteidigte sich mit einer beidhändig gehaltenen Lanze. Geralt hieb den Schaft entlang, schlug ihm die Finger ab. Er wirbelte herum, rief mit dem nächsten weit ausholenden Schlag Schmerzensschreie und Blutfontänen hervor.
»Gnade!« Ein zerzauster junger Mann mit irrem Blick fiel vor ihm auf die Knie. »Verschone mich!«
Geralt verschonte ihn, hielt Hand und Schwert zurück, nutzte den für den Schlag vorgesehenen Schwung zu einer Drehung. Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Zerzauste hochsprang, sah, was er in den Händen hielt. Er brach aus der Drehung aus, um eine gegenläufige Volte zu vollführen. Doch er blieb in der Menge stecken. Für den Bruchteil einer Sekunde blieb er in der Menge stecken.
Er konnte der auf ihn zufliegenden dreizinkigen Mistgabel nur entgegenblicken.
Das Feuer im riesigen Kamin brannte nieder, in der Halle wurde es dunkel. Der von den Bergen her wehende Wind pfiff in den Mauerspalten, heulte beim Eindringen durch die undichten Fensterläden von Kaer Morhen, der Heimstatt der Hexer.
»Verdammt!« Eskel hielt es nicht mehr aus, er stand auf, öffnete die Kredenz. »›Möwe‹ oder Schnaps?«
»Schnaps«, sagten Coën und Geralt unisono.
»Freilich«, ließ sich der im Schatten verborgene Vesemir vernehmen. »Freilich, klar doch! Ertränkt eure Dummheit im Fusel. Verdammte Dummköpfe!«
»Das war ein Unfall …«, stotterte Lambert. »Sie war mit dem Kamm schon zurechtgekommen …«
»Halt die Klappe, du Dummkopf! Ich will deine Stimme nicht hören! Ich sage dir, wenn dem Mädchen etwas passiert ist …«
»Es geht ihr schon wieder gut«, unterbrach ihn Coën sacht. »Sie schläft ruhig. Tief und gesund. Beim Erwachen wird sie ein wenig benommen sein, weiter nichts. An die Trance, an das, was geschehen ist, wird sie sich überhaupt nicht erinnern.«
»Wenn ihr euch wenigstens erinnern würdet!«, schnaufte Vesemir. »Strohköpfe! Schenk mir auch ein, Eskel.«
Sie schwiegen lange, lauschten dem Heulen des Sturms.
»Man muss jemanden kommen lassen«, sagte schließlich Eskel. »Wir müssen irgendeine Magierin holen. Was mit diesem Mädchen vor sich geht, ist nicht normal.«
»Es war schon die dritte solche Trance.«
»Aber zum ersten Mal hat sie artikuliert gesprochen.«
»Wiederholt mir noch einmal, was sie gesagt hat«, befahl Vesemir und leerte den Becher auf einen Zug. »Wort für Wort.«
»Wort für Wort geht es nicht«, sagte Geralt, den Blick in dieGlut gerichtet. »Aber der Sinn, wenn es Sinn hat, darin einen Sinn zu suchen, war dieser: Ich und Coën werden sterben. Zähne werden unser Verderben sein. Uns beide werden Zähne töten. Ihn zwei. Mich drei.«
»Es ist ziemlich wahrscheinlich« – Lambert prustete abschätzig –, »dass wir totgebissen werden. Jedem von uns können jeden Augenblick Zähne zum Verderben werden. Euch beide aber, wenn diese Weissagung wirklich die Zukunft verkündet, werden irgendwelche besonders zahnbewehrten Monster erledigen.«
»Oder ein Eitergeschwür von schlechten Zähnen.« Eskel, scheinbar ernst, nickte. »Nur dass wir ja keine schlechten Zähne kriegen.«
»Also ich«, sagte Vesemir, »würde in dieser Sache keine Witze reißen.«
Die Hexer schwiegen.
Der Sturmwind heulte und
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