Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
Stapel mit Ausdrucken wissenschaftlicher Artikel auf den Kaffeetisch, zwischen ihm und Mitch. Er hatte seinem Besucher nichts Positives mitzuteilen.
    Gianelli war klein und rundlich. Sein normalerweise blasses Gesicht hatte eine gefährliche Rötung angenommen. »Wir haben alles gelesen, was Sie uns seit der Abgeordnetenwahl geschickt haben. Aber die anderen haben doppelt so viele Experten und schicken uns doppelt so viel Material. Wir ertrinken in Papier, Mitch! Und diese Sprache.« Er fuhr mit dem Daumen über den Papierstoß. »Können Ihre Leute, all diese Biologen, nicht einfach so schreiben, dass man sie auch versteht? Merken die denn gar nicht, wie wichtig es ist, dass diese Informationen alle Medien erreichen?«
    Mitch ließ die Hände heruntersinken. »Es sind nicht meine Leute, Dick. Meine Leute sind Archäologen. Die neigen eher dazu, brillante Prosa zu verfassen.«
    Gianelli lachte, stand vom Sofa auf, schüttelte die Arme aus und langte sich mit dem Finger unter den engen Kragen, als wolle er Dampf ablassen. Sein Büro war Teil der Suite, die man dem Kongressabgeordneten Dale Wickham aus dem Wahlbezirk Virginia zugewiesen hatte. Während zwei der härtesten Legislaturperioden in der amerikanischen Geschichte hatte Gianelli ihm bei allen wissenschaftlichen Fragen, die von allgemeinem Interesse waren, als Berater treu zur Seite gestanden. Die Tür zu Wickhams Büro war geschlossen. Er war heute auf dem ,Hügel’ von Washington.
    »Der Abgeordnete hat seinen Standpunkt schon seit Jahren klar geäußert. Alle Ihre Wissenschaftlerkollegen, sind auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Sie haben sich mit den Gesundheitsbehörden und dem Krisenstab zusammengetan und statten vor allem der Abteilung regelmäßig Besuche ab.
    Wilson vom Katastrophenschutz und dem Justizminesterium haben uns bei jedem Schritt Knüppel zwischen die Beine geworfen und schlawinern wie Schoßhündchen herum, um sich ihre Brocken an finanziellen Mitteln zu schnappen. Widersetzt man sich ihnen, so ist es, als flögen einem Kanonenkugeln um die Ohren.«
    »Was kann ich denn von hier mitnehmen, um die Dame des Hauses aufzumuntern? Gibt’s denn auch erfreuliche Neuigkeiten?«
    Gianelli zuckte die Achseln. Mitch mochte Gianelli, bezweifelte jedoch, dass er die Fünfzig noch erleben würde.
    Alle Anzeichen sprachen dagegen: die birnenförmige, überaus rundliche Figur, die gespenstisch blasse Haut, das schüttere schwarze Haar, die runzligen Ohrläppchen. Auch Gianelli war sich dessen bewusst. Er arbeitete hart, machte sich allzu viele Sorgen und schluckte seine Enttäuschungen hinunter. Ein guter Mann, der eine schlimme Zeit durchzustehen hatte. »Wir sind in eine medizinische Bärenfalle getappt«, sagte er. »Darauf waren wir keineswegs vorbereitet. Unser bestes Handlungsmodell für den Fall einer Seuche bestand in der militärischen Abwehr. Inzwischen sind die Notstandsverordnungen seit zehn Jahren in Kraft und wir haben unser Land praktisch in die Hände von christlich-fundamentalistischen Bürokraten gegeben, die ihre Ausbildung beim Militär oder im Strafvollzug genossen haben. Die Mannschaft von Mark Augustine, Mitch. Wir haben denen nahezu absolute Handlungsvollmacht gegeben.«
    »Ich glaube, ich verstehe einfach nicht, wie solche Menschen denken«, erklärte Mitch.
    »Früher dachte ich einmal, ich könnte sie verstehen«, erwiderte Gianelli. »Wir haben versucht, ein Bündnis herzustellen. Der Abgeordnete hat bei christlichen Gruppen, nationalen Widerstandsgruppen, verrückten Verschwörungstheoretikern bestimmte Fäden gezogen – bei Menschen, die die amerikanische Flagge verbrennen, wie bei denen, die sie hochhalten. Bei allen, die auch nur eine Spur von Misstrauen gegen die Regierung erkennen ließen. Mit dem Hut in der Hand sind wir bei jedem anständigen Richter, bei jedem freiheitsliebenden, liberalen Bürger, der im wörtlichen wie metaphorischen Sinn noch nicht abgetaucht war, betteln gegangen. Jeder unserer Schritte wurde überwacht. Man hat dem Abgeordneten überaus deutlich zu verstehen gegeben, dass er – sollte er weiterhin auf eigene Faust Staub aufwirbeln
    – ganz persönlich die Verantwortung dafür zu tragen hat, wenn der Präsident das Kriegsrecht verhängt.«
    »Was macht das schon für einen Unterschied, Dick?«, fragte Mitch. »Die haben die Habeas-Corpus-Akte, die Pflicht zur Haftprüfung, doch längst aufgehoben.«
    »Nur für einen bestimmten Personenkreis, Mitch.«
    »Zu dem meine Tochter

Weitere Kostenlose Bücher