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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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wählerisch galt, was ihre Mitglieder betraf. Manche behaupteten, sie sei subversiv. Dass sie seinerzeit einen Brief an diese Organisation geschrieben hatte, war ihr völlig entfallen. Es war die schlimmste Zeit ihres Lebens gewesen.
    Damals hatte sie die Hand nach jedem Strohhalm ausgestreckt und selbst mit den Extremisten Kontakt aufgenommen, die behaupteten, sie könnten Kinder aufspüren und sie befreien.
    »Luella, ich wollte nicht…«
    »Also: Da ich Sie kenne, hat man mir aufgetragen, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen. Ist das in Ordnung?«
    Sie versuchte, Klarheit in ihren Kopf zu bringen. »Schön, Ihre Stimme zu hören. Wie geht’s Ihnen?«
    »Ich bin wieder schwanger, Kaye. Sie auch?«
    »Nein.« Luella musste schon Mitte fünfzig sein. Man weiß nie, wie der Würfel fällt, dachte Kaye.
    »Es ist wieder SHEVA, Kaye. Aber mir fehlt die Zeit für ein Schwätzchen. Hören Sie also genau zu – sind Sie noch dran?«
    »Ich höre.«
    »Ich möchte, dass Sie uns von einer sicheren Leitung aus zurückrufen, einer wirklich sicheren, mit Zerhacker. Haben Sie die Nummer noch?«
    »Ja«, erwiderte Kaye und überlegte, ob die Nummer noch in ihrer Brieftasche steckte.
    »Es wird Ihnen eine nette mechanische Stimme antworten, unser kleiner Roboter. Hinterlassen Sie Ihre Nummer, dann können wir Sie zurückrufen. Danach sehen wir weiter. In Ordnung, Liebes?«
    Kaye musste trotz der Anspannung lächeln. »Ja, Luella, vielen Dank.«
    »Tut mir Leid, dass ich Sie so früh rausgeklingelt hab. Auf Wiederhören, meine Liebe.« Luella legte auf.
    Kaye schwang sich aus dem Bett und ging in die Küche, um Kaffee zu machen. Sie überlegte, ob sie versuchen sollte, Mitch zu erreichen, um ihm von dem Gespräch zu erzählen.

    Aber es war noch zu früh am Morgen und wahrscheinlich auch keine gute Idee, solche Neuigkeiten per Telefon zu verbreiten, wenn jeder Anruf Risiken barg.
    Sie stellte sich ans Fenster, das einen Ausblick über Baltimore bot, dachte über Stella in Arizona nach und fragte sich, wie es ihr wohl gehen mochte und wie lange es bis zum nächsten Wiedersehen dauern würde.
    Plötzlich klickte etwas in ihrem Hirn und sie ertappte sich selbst dabei, wie sie leise knurrte wie ein Fuchs. Während sie ihre Kaffeetasse mit zitternder Hand umklammerte, spürte sie einen Augenblick lang blinden, hilflosen Zorn. »Gebt mir meine Tochter zurück, ihr Arschlöcher«, krächzte sie. Sie zitterte so heftig, dass sie Kaffee verschüttete, ließ sich in den nächsten Sessel fallen, stellte die Tasse auf einem Tischchen ab und verschränkte die Arme. Mit dem dicken Frotteeärmel ihres Bademantels wischte sie sich die Tränen der Ohnmacht aus den Augen. »Beruhige dich, meine Liebe«, sagte sie und versuchte dabei, Mrs. Hamiltons kräftigen Alt zu imitieren.
    Es würde kein leichter Tag werden. Kaye war fast sicher, dass man sie freisetzen würde. Feuern. Was ihrem Leben als Wissenschaftlerin für immer und ewig ein Ende setzen, ihr aber auch die Möglichkeit eröffnen würde, ihre Tochter herauszuholen und die Familie wieder zusammenzubringen.
    »Träumerin«, sagte sie und klang dabei längst nicht so überzeugend wie Luella Hamilton.

    27
    Arizona

    Als sie um acht Uhr morgens penetrantes Erdbeeraroma in den Schlafsaal pumpten, schlug Stella die Augen auf und hielt sich stöhnend die Nase zu.
    »Was ist denn jetzt los?«, fragte Celia im Etagenbett unter ihr.
    Zu solchen Mitteln griffen die Menschen immer dann, wenn sie etwas vorhatten, das bei den Kindern möglicherweise Widerstand hervorrufen würde. Wie Spritzen geben, Blut entnehmen, ärztliche Untersuchungen durchführen oder das Wohnheim filzen, um Verbotenes aufzuspüren.
    Als Nächstes folgte eine Welle von Kiefernduft, den sie durch die Lüftungsrohre im Dachgebälk in den Schlafsaal schleusten. Als Stella einatmete, drang ihr der Geruch in den Mund und brachte sie zum Würgen.
    Während sich ihr der Magen umdrehte und sich ihre Brust heftig hob, setzte sie sich im Nachthemd auf den Bettrand. Sie sah, wie drei Männer in Schutzanzügen den Mittelgang des Schlafsaals entlanggingen. Nein, einer war kein Mann, sondern Joanie, kleiner und stämmiger als die anderen. Mit ausdrucksloser Miene spähte sie durch das Plastikvisier ihres aufklappbaren Schutzhelms.
    Joanie erinnerte Stella an Fred Trinkets Mutter: Sie war ebenso stoisch und schicksalsergeben, frei von jeder Emotion.
    Das Trio in den Schutzanzügen blieb vier Betten entfernt stehen. Auf ein paar leise Worte

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