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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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halb laufend machte er sich auf den Weg hinunter, bis er am Rand des Spent River das Steilufer erreichte, das Aussicht auf den ausgetrockneten Flusslauf bot.
    Vielleicht waren sie nahe am Fluss gewesen, hatten die Absicht gehabt, ihn in gerade Linie von dem höher gelegenen Gelände aus zu durchqueren – von dem Punkt aus, an dem Mitch (mitsamt dem Anführer) noch vor wenigen Minuten gestanden hatte, nicht weit von seinem jetzigen Standort.
    Mitchs schlaffer Arm baumelte wie tot an der Seite, aber er achtete weder auf das Kribbeln, noch auf die silbernen Fünkchen, die vor seinen schmerzenden Augen tanzten.
    Während er das Steilufer entlangging, suchte er mit den Augen den Boden vor sich ab und hielt Meter für Meter Ausschau nach irgendwelchen verwitterten Hand- oder Zehenknochen oder noch größeren Teilen, die irgendein Kojote womöglich links liegen gelassen hatte. Vielleicht hatte auch ein Erdhörnchen an den Knochen gezerrt, sodass sie aus ihren kleinen Aushöhlungen in der Asche, dieser hart gewordenen Masse des Todes, herausgerutscht waren.
    Das Tosen wird laut und lauten aber die Wolke scheint sich aufzulösen. Was die Männer von ihrem Standort aus nicht sehen können: Der Lahar spaltet sich in lang gestreckte Auslaufen sucht sich Kanäle, die sich schon früher in dieses zerklüftete Land gegraben haben, strömt mit letzter Kraft, drängt nach vorn, weiter und weiter, wird aber gleichzeitig schwächer. Sie können nicht erkennen, dass diese neue Gefahr sie mit dem letzten Aufgebot an schwindender Kraft töten will.
    Vielleicht werden wirs überstehen, denken sie.
    Wenn sie sich überhaupt irgendwo befanden und noch im Boden lagen, dann zu seiner Rechten. Gut möglich, dass ihre Knochen völlig verwittert und schon vor Jahrhunderten vom Steilufer herabgefallen waren. So nah am Rand musste er damit rechnen, dass von ihnen nichts übrig geblieben war. Der Fluss musste damals höher gelegen haben, sein Bett war noch nicht so tief und ausgehöhlt gewesen. Aber vielleicht war das Steilufer doch so hoch gewesen, dass sie sich hier eine Pause gegönnt hatten…
    Der Anführer blickt nach Nordwesten. Mit weit aufgerissenen Augen sieht er, wie der Hauptstrom des sterbenden Lahars durch das Flussbett tost. Seine Nasenflügel beben vor Wut und Enttäuschung, als sich der wirbelnde Strom aus Matsch und dampfendem Wasser mit großen Schüben auf sie zu bewegt, in seine Augen, in sein Hirn dringt. Der Strom kommt schneller heran, als sie rennen können. Sie kauern sich nieder, während er unter ihren Füßen vorbeirauscht und das Ufer wegschwemmt. Um sich in Sicherheit zu bringen, klettern sie die Böschung hinauf, aber der Lahar schwingt sich empor und ergießt sich über sie, als sie die Arme hoch werfen. Die zähe Flüssigkeit ist so heiß, dass sie die Männer verbrüht. Der Anführer hört die Gefährten brüllen, aber das hält nicht lange an.
    Mitchs Atem kam jetzt stoßweise.
    Ihre Frauen auf der anderen Seite des Spent River mussten im selben Augenblick oder wenige Sekunden später gestorben sein.
    Als der Anführer fällt, hat er die Hände über dem Kopf.
    Genau wie seine Söhne und die anderen Jäger kämpft er Bruchteile von Sekunden gegen den glühend heißen Schlamm an und muss dann reglos liegen bleiben. Der Matsch hüllt ihn ein, eine mehr als fünfzig Zentimeter dicke Decke voller Zweige, Trümmer von Baumstämmen, faustgroßer Steine und Teile toter Tiere.
    Beim Laufen wurde Mitch ruhiger. Die Einzelheiten schienen sich wie Mosaikteile zusammenzufügen. Wenn die Suche begann, wurde sein Hirn stets ein stiller See.
    Das Land dampft vor Hitze. Am Fluss hat über dem Boden nichts überlebt. Entlaubte Büsche liegen platt gewalzt und verdorrt am Ufer. Halb vergraben unter Schichten dampfenden Schlicks liegen verbrannte Kadaver. Der Boden stinkt nach Schlamm und verschmortem Gemüse. Es riecht nach zerkochten Kräutern in einem Fleischeintopf. Schließlich kühlt der Schlamm ab.
    Und dann kommt der dritte Ascheregen, der die Überreste der Männer und Frauen und das verwüstete Land rund um den Spent River unter sich begräbt.
    Es ist vorbei.
    Mitch hielt den Kopf gesenkt und presste einen Finger aufs Auge, aber der Schmerz hielt trotzdem an. Das war der Preis, den er zahlen musste.

    Rod Taylor schiebt den Hebel der alten Zeitmaschine nach vorn. Unter dem grauen Leichentuch des Ascheregens härtet der Schlamm aus. Die Zeit vergeht im Fluge. Die Leichen verwesen in ihren Mulden, verfärben den

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