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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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ihrem irischen Blut.«
    Will riss eine Seite aus seinem Taschenbuch, zerknüllte sie, wedelte damit vor seiner Nase herum und grinste Stella an.

    32
    Oregon

    Sie sind draußen gewesen, um zu jagen. Die älteren Männer haben die jüngeren mitgenommen, diejenigen, die bald in die Pubertät kommen oder sie gerade hinter sich haben; sie machen sich auf den Weg zu dem höher gelegenen Gelände, weil sie nachsehen wollen, ob es nach dem Ascheregen noch irgendwo Wild gibt. Aber die Asche hat über Hunderte von Kilometern hinweg alles mit Staub überzogen und das Wild ist weiter nach Süden gezogen. Nur die kleinen Tiere, die sich in ihre Höhlen und Bauten verkrochen haben, harren immer noch zitternd aus…
    Und dann hören die Männer den Lahar kommen, sehen, wie die Wolke aus Feuer und Lava, die alle Schnee- und Eismassen abgeschmolzen hat, den Fuß des Berges umgibt. Wie ein schmutzig-graues Tuch ist sie von dem dunklen wilden Bär, dessen Tatzen Blitze sind, herabgefallen. Vielleicht kommt es ihnen auch so vor, als habe die Berggöttin ihr Gewand ausgebreitet, als senke sich dessen Saum, viele Meilen weit entfernt, rasch über das Land. Und es klingt so, als rasten alle Büffel der Welt gleichzeitig davon.
    Unter diesem Gewand hat sich das Schmelzwasser mit heißem Gas gemischt, nimmt Asche, Schlamm und entwurzelte Bäume in sich auf und rast brüllend und tosend auf den Ort zu, an dem die Männer, bleich und entkräftet vor Angst, stehen geblieben sind.
    Der Anführer, der Mann mit den schärfsten Augen, der schnellsten Auffassungsgabe, den stärksten Armen und den meisten Söhnen und Töchtern in dieser Gruppe, der trotz allem vermutlich nicht älter als fünfunddreißig oder vierzig Jahre alt ist… dieser Anführer hat so etwas wie den näher kommenden Lahar noch nie erlebt. Die Asche war schon schlimm genug gewesen. Die ferne, graue Schlammlawine sieht so aus, als brauche sie noch Tage bis zu ihrem Standort. Die Wälder, über die sie sich hinweg wälzt oder die sie durchschneidet, sind weit weg. So wütend und machtvoll sie auch toben mag, wie sollte sie bis zu diesem Ort vordringen, an dem der Anführer mit seinen Söhnen und Jägern steht?
    Trotzdem tritt er vorsichtshalber den Rückweg an, weil er sich um die Frauen kümmern will.
    Mitch schlug sich aufs Knie, rappelte sich hoch und machte sich auf den Rückweg zum Lager.
    Die Männer springen die Hügel hinunter, nehmen die Abkürzung. Ihre Füße wirbeln kleine Aschewolken auf Der Anführer wendet den Blick von der Asche, die seine winzige Gruppe in erstickenden Nebel einhüllt, zum Himmel und merkt, dass die Wolke in diesen wenigen Minuten viel, viel näher gerückt ist. Er zittert, weil ihm klar ist, wie wenig er weiß.
    Möglich, dass der Tod sie bald einholen wird.
    Mit großen Schritten marschierte Mitch auf die Flussniederung zu, quer durch alte Schlammablagerungen, und schlug einen Bogen um das hier und da wachsende Gestrüpp, durch das der Wind strich.
    Der gewaltige Guss kommt immer näher. Der heiße Atem der Hölle, für den sie noch keinen Namen haben, der ihr Vorstellungsvermögen sprengt. Als das Tosen lauter wird, rennt der Anführer schneller. Selbst die größten Herden erzeugen keinen Lärm wie diesen, wenn sie bei der Jagd in wilder Flucht davongaloppieren. Die Wolkenwand verleibt sich schnell und dennoch schwerfällig – mit der Würde eines großen Bären – das Land ein.

    Der Anführer bleibt kurz stehen, um den anderen zu zeigen, dass die Wolkenwand jetzt nicht mehr näher rückt. Sie lachen und johlen. Die graue Wolke wird dünner und dünner und löst sich schließlich auf. Die Flut unterhalb der Wolke entgeht ihren Augen.
    Aber der schlimmste Ascheregen kommt erst noch, dicke Vorhänge, dichte Schwaden, die ihnen die Sicht nehmen, in den Augen brennen, in Mund und Nase dringen, sodass es zwischen Lippen und Zahnfleisch knirscht und sie kaum noch atmen können. Sie versuchen, ihre Augen mit den Händen zu schützen. Blind stolpern sie vor sich hin, fallen, brüllen Jagdrufe, Rufe ihrer Stämme, allerdings noch keine Namen.
    Und wieder beginnt das Tosen, wird lauter, ein stampfender Rhythmus, in den sich das Kreischen entwurzelter Bäume mengt.
    Mitch machte kurz am Hang vor der Flussniederung Halt, um die verwitterten Schichten, die zerbrochenen, zerfallenen Überreste des uralten Lahars ins Visier zu nehmen. Vor seinen Augen tanzten Funken, die ihm die Sicht nahmen, er versuchte sie durch Reiben loszuwerden.
    Halb rutschend,

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