Die Darwin-Kinder
hoch.
»Die werden mich hier nicht mehr herauslassen, bis sie andere Vorkehrungen treffen können.«
»Und Sie haben keine Angst?«
»Nein.«
»Könnte ich Sie anstecken, wenn ich es wollte?«
Dicken schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich.«
»Aber wenn die das wissen, warum behalten sie mich dann hier? Warum halten die uns überhaupt von den Menschen fern?«
»Na ja, wir wissen einfach nicht, was wir tun oder glauben sollen. – Wir verstehen das alles nicht«, fügte er leise hinzu.
»Und das macht uns schwach und dumm.«
»Es ist grausam«, sagte das Mädchen. Und dann, als sei ihr erst jetzt klar geworden, dass sie wirklich schwanger war:
»Was werden die mit meinem Baby machen?«
In diesem Augenblick wurde die Tür zum Wohnmobil aufgerissen. Aram Jurie trat als Erster ein. Unverzüglich flankierten ihn zwei Sicherheitsleute, die mit Maschinenpistolen bewaffnet waren. Alle drei trugen Schutzanzüge. Selbst durch die Schutzhaube hindurch war Juries blassem Gesicht die geballte Wut anzusehen. »Das ist pure Dummheit«, sagte er, während die Sicherheitsleute vortraten. »Wollen Sie alles sabotieren, was wir erreicht haben?«
Dicken erhob sich von der Couch und sah dabei das Mädchen an, das jedoch weder verblüfft noch beunruhigt wirkte. Gott sei uns gnädig, sie kennt es nicht anders. »Sie halten diese junge Frau widerrechtlich fest«, sagte er.
Für einen Mann, der stets Gelassenheit zur Schau trug, wirkte Jurie so fassungslos, dass es fast schon komisch war. »Was, um Himmels willen, haben Sie sich dabei gedacht?«
»Ihre Einrichtung ist nicht dazu autorisiert, Kinder aufzunehmen«, fuhr Dicken fort. Allmählich kam er in Fahrt.
»Sie haben dieses Mädchen ohne gesetzliche Befugnis über die Landesgrenzen gebracht.«
»Sie stellt eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar.«
Plötzlich wirkte Jurie wieder ganz ruhig. »Und dasselbe gilt jetzt auch für Sie.« Er schwenkte die Hand. »Schaffen Sie ihn raus.«
Die Sicherheitsleute konnten sich anscheinend nicht entschließen, wie sie darauf reagieren sollten. »Kann er nicht einfach bleiben, wo er ist? Hier kann er doch keinen Schaden anrichten, oder?«, fragte einer der beiden. Durch die Schutzhaube war seine Stimme nur gedämpft zu hören.
Das Mädchen streckte die Hand nach Dicken aus und klammerte sich an seinem Arm fest. »Es besteht keinerlei Gefahr«, entgegnete er Jurie.
»Das können Sie gar nicht wissen«, widersprach Jurie, Dicken fest im Blick, allerdings war die Bemerkung eher für die Sicherheitsleute gedacht.
»Dr. Jurie hat seine Befugnisse weit überschritten«, sagte Dicken. »Die Entführung von Menschen ist eine schwere Straftat, Jungs. Diese Einrichtung arbeitet für den Krisenstab, und der ist dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziales unterstellt. All diese Institutionen haben strenge Richtlinien, was das Experimentieren mit Menschen betrifft.«
Und niemand weiß, ob diese Richtlinien noch in Kraft sind.
Aber es ist für uns die beste Möglichkeit sie zu überrumpeln.
»Sie haben keine gesetzliche Vollmacht, über den Verbleib des Mädchens zu entscheiden. Wir verlassen Sandia, ich nehme das Mädchen mit.«
Jurie schüttelte so heftig den Kopf, dass seine Schutzhaube wackelte. »Klingt ganz nach John Wayne, das haben Sie sehr hübsch herausgebracht. Soll ich jetzt knurren und den Schurken spielen?«
Die Situation war völlig unglaublich und überaus angespannt, aber auch sehr komisch. »Ja, genau«, erwiderte Dicken und verzog sein Gesicht unvermittelt zu einem aufmüpfigen Leck-mich-doch-am-Arsch-Grinsen. Er hatte einen Hang dazu, wenn er mit Autoritätspersonen aneinander geriet. Und das war wiederum einer der Gründe, warum er einen Großteil seines Lebens mit Feldforschung verbracht hatte.
Jurie missdeutete Dickens Lächeln. »Uns bietet sich hier eine unglaubliche Chance. Warum sollten wir sie vertun?«, sagte er mit schmeichelnder Stimme. »Wir können dadurch so viele Probleme lösen, so vieles lernen. Und unser neues Wissen wird Millionen von Menschen nützen, es könnte uns alle retten.«
»Aber weder dieses Mädchen noch eines der anderen Kinder.« Als Dicken die Hand ausstreckte, stand das Mädchen auf. Gemeinsam, Hand in Hand, gingen sie vorsichtig auf die Tür zu.
Jurie stellte sich ihnen in den Weg. »Wie weit, glauben Sie, werden Sie kommen?« Das Gesicht unter der Schutzhaube war aschgrau.
»Wir werden’s herausfinden«, erwiderte Dicken. Als Jurie ihn aufhalten wollte,
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