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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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mich ansehen.«
    »In Ordnung«, erwiderte Freedman und stellte die Lampen in dem Besucherraum mit Sichtfenster heller.

    Das Licht in Mrs. Rhines Wohnzimmer wurde schwächer, bis sie nur noch ihre Silhouette erkennen konnten. »Willkommen in meinem Zuhause, Dr. Rafelson.«
    »Ich habe mich über Ihre Nachricht gefreut.«
    Freedman verschränkte die Arme und hielt sich im Hintergrund.
    »Christopher Dicken hat mir früher immer Blumen mitgebracht.« Mrs. Rhine bewegte sich unbeholfen und ruckartig. »Jetzt darf ich keine Blumen mehr in der Wohnung haben. Einmal in der Woche muss ich in einer kleinen Kammer verschwinden, weil sie dann einen Roboter hereinschicken, der alles von oben bis unten reinigt. All diese kleinen Dinger, die mit dem Hausstaub zu tun haben, müssen beseitigt werden. Pilze, Bakterien und solche Sachen, die auf abgestoßenen Hautschuppen gedeihen können. Wenn die sich hier drinnen entwickeln, könnten sie mich in der jetzigen Situation umbringen.«
    »Über Ihren Brief habe ich mich sehr gefreut.«
    »Das Netz ist das, was mich am Leben hält, Kaye – wenn ich Sie so nennen darf.«
    »Selbstverständlich.«
    »Christopher hat so oft von Ihnen gesprochen, dass es mir vorkommt, als würde ich Sie schon kennen. Mittlerweile bekomme ich nicht mehr allzu viel Besuch. Ich hab ganz vergessen, wie man auf wirkliche Menschen reagiert. Wenn ich meine saubere kleine Tastatur bediene, reise ich um die ganze Welt, aber in Wirklichkeit gehe ich ja nirgendwohin, berühre nichts, sehe nichts. Ich dachte, ich hätte mich daran gewöhnt, aber dann bin ich einfach wieder wütend geworden.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Erzählen Sie mir, was Sie sich vorstellen«, forderte Mrs.
    Rhine Kaye auf und warf den Kopf herum.

    »Ich stelle mir vor, dass Sie sich des Lebens beraubt vorkommen.«
    Die dunkle Silhouette nickte. »Meiner ganzen Familie beraubt. Deshalb hab ich Ihnen geschrieben. Als ich las, was Ihrem Mann und Ihrer Tochter zugestoßen ist, dachte ich: Sie ist nicht nur Wissenschaftlerin, ein Symbol der Bewegung oder eine Berühmtheit, sie ist so wie ich. Aber natürlich besteht für Sie die Möglichkeit, dass Sie Ihre Lieben eines Tages zurückbekommen.«
    »Ich arbeite ständig daran, meine Tochter zurückzubekommen. Wir suchen immer noch nach ihr.«
    »Ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, wo sie ist.«
    »Das wünschte ich auch.« Kaye schluckte unter der Schutzhaube. Die Belüftung in dem steifen Schutzanzug war nicht gerade die beste.
    »Haben Sie Karl Popper gelesen?«, fragte Mrs. Rhine.
    »Nein, noch nie.« Kaye zog eine Falte im Kunststoff an der Taille glatt. Dabei fiel ihr auf, dass der Schutzanzug mit etwas geflickt war, das wie Klebeband für Kabel aussah. Das lenkte sie einen Augenblick ab. Sie hatte zwar gehört, dass die finanziellen Mittel inzwischen gekürzt worden waren, hatte sich aber nicht die Konsequenzen klar gemacht.
    »… behauptet, dass eine ganze Gruppe von Philosophen und Denkern, der auch er sich zurechnet, das Selbst als soziales Attribut betrachtet«, sagte Mrs. Rhine. »Wenn man fern von der Gesellschaft aufwächst, entwickelt man kein vollständiges Ich. Nun ja, ich bin dabei, mein Ich zu verlieren. Ich fühle mich nicht mehr wohl, wenn ich dieses persönliche Fürwort benutze. Ich würde wahnsinnig werden, aber ich… dieses Ding, das ich bin…« Sie ließ die Worte in der Luft hängen.
    »Marian, ich muss mit Kaye unter vier Augen reden. Geben Sie mir wenigstens das Gefühl, dass uns niemand zuhört oder das Gespräch aufzeichnet.«

    »Ich bespreche es mit dem Techniker.« Nachdem Freedman kurz mit dem Techniker vom Sicherheitsdienst geredet hatte, entfernte sie sich diskret aus dem Besucherzimmer, wobei sie die Nabelschnur des Schutzanzuges hinter sich her schleifte.
    Die Tür fiel zu.
    »Warum sind Sie hier?«, fragte Mrs. Rhine so leise, dass es kaum zu verstehen war.
    Kaye konnte sehen, wie sich die helleren Lampen des Besucherzimmers in ihren Augen spiegelten.
    »Wegen Ihrer Nachricht. Und weil ich es an der Zeit fand, Sie kennen zu lernen.«
    »Sie sind nicht hier, um mir zu versichern, dass man ein Heilmittel für mich finden wird? Manche Leute kommen nämlich genau deswegen vorbei, und das ist mir zuwider.«
    »Nein.«
    »Warum also? Warum wollen Sie mit mir sprechen? Ich schicke vielen Leuten E-Mails. Ich glaube, die meisten kommen gar nicht an. Es wundert mich tatsächlich, dass Sie meine Nachricht erhalten haben.«
    Dafür hatte Marian Freedman

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