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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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niemals endender Prozess.
    Viren trugen sowohl zum Prozess der Geburt als auch zur Verbreitung von Seuchen bei: Als wandernde Gene, die miteinander kommunizierten, drückten sie gespeichertes Wissen aus und bereiteten Veränderungen vor, sorgten für wunderbare Entwicklungen wie für Defekte, ohne dieses Wechselspiel des Lebens je überwinden zu können.
    Die göttliche Kraft der Natur ist ein zweischneidiges Schwert.

    Als die Sonne durch das gegenüberliegende Fenster drang, fielen ihre Strahlen auf Kayes Gesicht. Sie schloss die Augen.
    Ich hätte Carla erzählen sollen, was mir passiert ist. Warum hab ich es nicht getan?
    Weil es schon drei Jahre her ist. Drei fruchtlose, kummervolle Jahre. Und jetzt das.
    Carla Rhine hatte Gott aufgegeben. Kaye fragte sich, ob das auch auf sie selbst zutraf.

    2
    Zentralkalifornien

    Mithilfe des alten, zusammengeflickten Badezimmerspiegels im schäbigen Motel rückte Mitch seine Krawatte zurecht. Im Spiegel sah sein Gesicht seltsam aus: um sein linkes Auge herum gelblich, an der rechten Wange schwarz gefleckt und der Hals vom Kinn durch einen Riss abgetrennt. Der Spiegel verriet ihm, dass er alt und ausgelaugt war und dabei, sich in seine Einzelteile aufzulösen – dennoch lächelte er. Zum ersten Mal seit zwei Wochen würde er seine Frau Wiedersehen. Er freute sich darauf, ohne die Anwesenheit anderer Menschen mit ihr zusammen zu sein. Sein Aussehen war ihm gleichgültig, da er wusste, dass auch Kaye nicht viel darauf gab. Deshalb wagte er es auch, den Anzug zu tragen, denn alle anderen Kleidungsstücke waren schmutzig. Er hatte keine Zeit gehabt, sie in den kleinen Anbau zu bringen und eine Waschmaschine mit Münzen zu füttern.
    Das zerwühlte französische Bett war mit halb zusammengeklappten Land- und Straßenkarten und Zetteln mit Telefonnummern und Adressen übersät – ein eindrucksvoller Stapel voller Hinweise, die ihn bislang nirgendwo hingeführt hatten. In den letzten drei Jahren, die er damit verbracht hatte, überall in Kalifornien nach Stella zu suchen, wobei er sich schließlich auf Lone Pine konzentrierte, hatte offenbar niemand seine Tochter gesehen, auch keine Jugendlichen auf der Durchreise, und schon gar nicht irgendwelche Virus-Kinder, die die Schule schwänzten.
    Stella war und blieb verschwunden.

    Mitch hatte mit verblüffender Einfühlungsgabe eine Gruppe von Männern lokalisieren können, die vor zwanzigtausend Jahren gestorben waren, schaffte es jedoch nicht, seine siebzehnjährige Tochter aufzuspüren.
    Grimassenschneidend schob er die Krawatte weiter nach oben, schaltete das Licht im Badezimmer aus und machte sich auf den Weg zur Tür. Genau in dem Moment, als er sie öffnete, zog ein junger Mann mit langem blonden Haar in Sweatshirt und grauer Windjacke die Faust von der Tür zurück, gegen die er gerade klopfen wollte.
    »Entschuldigung, sind Sie Mitch Rafelson?«
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Der Geschäftsführer des Motels meint, dass ich vielleicht etwas für Sie tun kann.« Er griff sich an die Nase und zwinkerte Mitch zu.
    »Was soll das heißen?«
    »Sie erinnern sich nicht an mich?«
    »Nein«, erwiderte Mitch ungeduldig.
    »Ich liefere Haushaltswaren und Elektrozubehör aus. Kann überhaupt nichts riechen, konnte ich noch nie, auch nicht viel schmecken. Das bezeichnet man als Anosmie. Und ich mag den Geschmack von Essen nicht sonderlich, deshalb werde ich auch nicht dick.«
    Mitch zuckte mit den Achseln. Er wusste noch immer nicht, wen er vor sich hatte.
    »Sie suchen doch nach einem Mädchen, nicht? Nach einer Shevitin?«
    Die Bezeichnung hatte Mitch noch nie gehört, aber sie klang so passend, dass er eine Gänsehaut bekam. Er sah sich den mageren jungen Mann noch einmal genauer an. Irgendetwas an ihm kam ihm tatsächlich bekannt vor.
    »Ich bin der Einzige, den mein Chef, Ralph, zum Ausliefern schicken kann. Die anderen sind nämlich immer ganz durcheinander, wenn sie zurückkommen.« Wieder fasste er sich an die Nase. »Aber ich nicht. Die können mich nicht dazu bringen, dass ich das Kassieren vergesse. Also bezahlen sie.
    Und da ich sie mit Respekt behandle, bezahlen sie gut und geben mir sogar noch ein Trinkgeld, verstehen Sie?«
    Mitch nickte. »Ich höre.«
    »Ich mag sie, die sind schon in Ordnung. Und ich will nicht, dass irgendwer da hinfährt und ihnen Schwierigkeiten macht.
    Ich meine, was die tun, ist jetzt irgendwie sogar legal und hier ein Riesengeschäft.« Er spähte in die helle Morgensonne, die den Asphalt des

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