Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
Saisonarbeiter in der Landwirtschaft sein können. »Sie hätten nicht hierher kommen sollen«, sagte er und drückte ihre Hände an seine Brust.

    »Aber wir sind doch ihre Eltern«, entgegnete Kaye mit flehendem Blick. »Wir suchen schon seit Jahren nach ihr.«
    »Sie ist nicht hier.« Auf seinen Wangen zeichneten sich schnell wechselnde, nicht zu deutende Muster ab, während seine smaragdgrünen Augen gelbe und braune Funken sprühten. Er sprach zwar nur mit leichtem Akzent, dennoch konnte Mitch seine osteuropäische Herkunft erahnen. Er versuchte, sich dem Ansturm von Sinnesreizen zu widersetzen und einen klaren Kopf zu behalten. Er war sicher, sie würden innerhalb der nächsten Minuten alle wieder in den Lastwagen steigen und in dem Bewusstsein, einen Fehler begangen zu haben – egal, was Morgan dazu zu sagen hatte –, davonfahren.
    Zum ersten Mal machte die Begegnung mit Leuten von Stellas Art ihm Angst.
    Die alte Frau gesellte sich zu dem Mann und gab mit Ober-und Unterstimme einen Wortschwall in fremder Sprache von sich. »Georgisch«, raunte Kaye Mitch zu. Sie versuchten, ihre Hände zurückzuziehen, aber der Alte war stark und wollte nicht loslassen. Da Mitch auf keinen Fall ein Handgemenge anfangen wollte, blieben sie nahe bei dem Alten stehen und bildeten ein seltsames Dreieck. Inzwischen hatte der Mann den Blick von ihnen abgewandt, um sich auf die alte Frau und die Jugendlichen zu konzentrieren.
    »Das sind doch Freunde von euch!«, brüllte Morgan, der gegen die Umklammerung ankämpfte. Vor Zorn und Enttäuschung versagte ihm die Stimme. »Ich würde doch keine Leute hierher bringen, die euch feindlich gesinnt sind, das wisst ihr doch. Die Frau ist berühmt, sie war sogar schon in Oprahs Talk-Show!«
    Der Alte ließ ihre Hände los, dennoch wich der Kreis von Jugendlichen – Rothaarige, Rotblonde, Aschblonde, alle Farben waren vertreten, noch nie hatte Mitch so viele unterschiedliche SHEVA-Kinder gesehen – nicht zurück und erfüllte die Luft weiter mit Fieberdüften.
    Mitch bezweifelte, dass er jemals wieder Schokolade essen könnte.
    Nachdem Kaye einige Worte in georgischer Sprache gestammelt hatte, fragte sie das alte Paar auf Englisch: »Seit wann sind Sie hier? Wo stammen Sie ursprünglich her?«
    »Stella!«, rief Mitch in Richtung der Gebäude, die an den Wendeplatz angrenzten. Als der Alte ihm den Finger über die Lippen legte, beugte Mitch wie ein unterwürfiger Hund den Kopf und schwieg.
    »Bitte!«, flehte Kaye. Mitch stützte sie, als ihre Beine unter ihr nachgaben.
    »Fahren Sie nach Hause«, sagte der Alte.
    »Fahren Sie nach Hause«, echoten die Kinder vielstimmig in Ober- und Unterstimme – ein Gemurmel, das zu einem Skandieren anstieg und in der Hitze des Nachmittags allzu überzeugend und vernünftig klang.
    Als Mitch aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung wahrnahm, hob er den Kopf und stellte sich auf die Zehenspitzen, um über die Menschenmenge hinwegblicken zu können. Aus Richtung der grauen Gebäude bewegte sich ein Gesicht, das er genauso gut kannte wie das von Kaye oder das seiner Mutter, auf den Kreis zu. Er versuchte, die junge Frau trotz der auf und ab wippenden Köpfe, skandierenden Münder und goldgesprenkelten Augen im Blick zu behalten. Sie trug ausgebeulte schwarze Hosen, Holzpantinen und eine ärmellose weiße Bluse. Ihre Schultern waren so schmal wie die von Kaye, ihre Arme braun gebrannt. Der Bronzeton erinnerte Mitch an eine Statue in irgendeinem Park. Auf ihren Wangen zeichnete sich ein Schmetterlingsmuster ab, das Mitch sofort wiedererkannte. Es war der komplizierte Ausdruck, der sowohl Überraschung als auch Unsicherheit andeutete, und danach, ohne dass es Stella bewusst war, freudige Begrüßung signalisierte.
    »Sie ist hier!«, sagte Mitch mit erstickter Stimme.
    Als Kaye Stella sah, richtete sie sich auf und versuchte sich gewaltsam den Weg aus dem Kreis zu bahnen. Sofort rückten die Jugendlichen noch enger zusammen, um sie davon abzuhalten.
    Vor dem Kreis blieb Stella mit verschränkten Armen stehen und blickte hin und her, als sei das, wonach sie Ausschau gehalten hatte, gar nicht da. Oder als wolle sie es nicht bemerken.
    Laut knurrend und kreischend, ohne jedes Wort, schlug Kaye auf die jungen Leute ein, um den Kreis zu durchbrechen.
    Plötzlich stürzte Stella nach vorn und zerrte an denen, die im Kreis standen.
    Als der alte Mann und die Frau die Hände hoben, wich der Kreis zurück, sodass Kaye, Mitch und Stella im Mittelpunkt einer lockeren,

Weitere Kostenlose Bücher