Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
Parfümfabriken beschäftigt wurden. Vielleicht hatte er darauf angespielt? Sie kam sich furchtbar unwissend vor.
    Inzwischen hatte sie fast immer Hunger, deshalb stellte sie sich bei den Arbeitern in der Schlange an. Sie legte sich die Hände auf den Bauch und versuchte, die Form darunter zu ertasten, aber bis jetzt war kaum eine Wölbung zu spüren. Es machte sie ein bisschen traurig, den eigenen Bauch zu berühren. Eine Tasse Kaffee würde ihr gut tun. Koffein machte alles leichter. Sheviten reagierten so stark darauf, dass Kaffee und Tee, selbst Kakao nur zwischen zehn Uhr morgens und fünf Uhr nachmittags erlaubt waren.
    Selbst ohne Kaffee rasten Stellas Gedanken ständig hin und her. Die Hälfte der Zeit wollte sie nur heulen, in der anderen Hälfte die Tränen herunterschlucken und irgendwie durch den Tag kommen, mit dem fertig werden, was jede Stunde bringen mochte. Es lag noch so viel Arbeit vor ihr. Gut möglich, dass noch Monate und Jahre vergehen konnten, ohne dass sie sich hier völlig eingliedern würde. All die Jahre, die sie fern von der eigenen Art verbracht hatte… Stellten sie eine Behinderung dar? Hatten sie bewirkt, dass sie sich eher wie ein Mensch denn als Shevitin fühlte?
    Allerdings gab es auch glückliche Momente, wenn sie die jüngeren Kinder unterrichtete oder – das gefiel ihr besonders –
    die Babys betreute.
    Sie nahm ihr Tablett vom Band und ging damit in den großen, stillen Speisesaal hinüber, in dem zwölf Arbeiter nach Schichtende aßen. Niemand sprach, stattdessen kommunizierten sie durch Gesten, Mimik, Wangenmuster und angenehme Düfte. Es roch nach Kakao, Joghurt, ja sogar nach Jasmin, da verhielt sich irgendjemand überaus freundlich. Aus dieser Entfernung war es ein Duftgemisch, in dem sie keinen Zusammenhang erkennen konnte. Die Unterhaltung, die auf diese Weise an den alten Holztischen geführt wurde, wirkte auf sie so, als schnappe sie zufällig irgendwelche Wortfetzen eines Gespräches auf.
    Stella setzte sich allein an einen Tisch. Das tat sie oft, um freundlich gemeinten, aber kritischen Bemerkungen zu entgehen. Die weißen Bohnen aus der Konserve würzte sie so nach, wie Sheviten es gern taten: mit Jodsalz, Brokkoliextrakten und saurer Sardellensauce.
    Luce Ramone, gesprächiger als viele andere, nahm mit einer Schüssel Kartoffelchips neben ihr Platz. Stella begrüßte sie mit einem Lächeln, das ein Bedürfnis nach Unterhaltung signalisierte.
    »Was, du willst jemanden, der mit dir schwatzt?«, fragte Luce, die ein Jahr jünger als Stella und gegen Ende der ersten SHEVA-Welle geboren war. Für eine Shevitin war sie klein.
    Ihre Haut war auffällig blass und ihr dickes schwarzes Haar ließ sich nur schwer bändigen, aber sie roch so wunderbar, dass viele Männer sie beachteten und gern in den Umkreis ihres Dems gelangt wären. Stellas und Luces Deme befanden sich gegenwärtig in einem Prozess der Verschmelzung, hielten aber trotz der Vereinigung an alten Bindungen fest. Niemand wusste, wo dieser Prozess hinführen würde.
    »Ja, ich würde mich freuen, wenn jemand mit mir tratscht«, erklärte Stella.
    »Bei der Tatz von der Katz. Ich bin genau das, was du brauchst. Du wirkst niedergeschlagen. Siehst fix und fertig aus.«
    »Bin nur in Gedanken.«
    Obwohl beide Wangenmuster erzeugten, verständigten sie sich im Augenblick vor allem über die Doppelsprache.
    »Kennst du Joe Siprio?«
    »Ein Freund von Will«, bemerkte Stella.
    »Der will mich angeln. Soll ich darauf eingehen?«
    »Auf keinen Fall! Ihr seid zu jung.«
    »Du hast dich in meinem Alter doch auch angeln lassen.!
    Heuchlerin!«
    »Dann denk daran, was mir passiert ist.« Stella sagte es zwar ohne jeden Nachdruck, nutzte aber nur die Oberstimme, sodass der Satz für sich alleine stand.
    »Er ist ein absolut fröhlicher Falter«, bemerkte Luce mit nachdenklichem Blick. »Unsere Körper mögen sich.«
    »Was soll das? Im Augenblick bist du noch eine Motte. Du musst erst zur Biene werden!« Bei den Sheviten bezeichneten Motte und Biene zwei verschiedene Entwicklungsstadien sexueller Reife. Insgesamt durchliefen Frauen drei Stadien: Im ersten Stadium, dem der Motte, waren sie zwar empfänglich für das sexuelle Vorspiel, nicht aber für den eigentlichen Geschlechtsverkehr; im zweiten Stadium, dem der Biene, schliefen sie mit ihren Partnern, ohne dass daraus eine Schwangerschaft folgte. Auch die Sakartvelos rätselten noch daran herum. Wahrscheinlich diente diese Phase dazu, eine noch feinere hormonelle und

Weitere Kostenlose Bücher