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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Erler
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und Nepal. Das einsame Buschland lag ihm näher. Erst neulich hörte ich wieder von ihm.
    Seinen Traum hat er wahrgemacht. Seit über einem Jahr lebt er nun im Busch, irgendwo in der Provinz Alberta, besitzt nur noch, was er am Leibe trägt, wie man so sagt, taucht manchmal bei Farmern auf und predigt ihnen für einen kleinen Sack voll Kartoffeln, Brot und etwas Fleisch ein neues Evangelium. Vielleicht ist er glücklich.
    Ich fürchte nur, auch er meinte nicht hin zum Busch, in die Einsamkeit, sondern fort von Gesellschaft und Enge und Streß, von Verpflichtung und täglichem Trott, weg von diesem Planeten, ach, wenn das nur ginge, weg von den Bedürfnissen dieser elenden Körperlichkeit, weg von dieser Erdenschwere: sich aufschwingen, entschweben in das Nichts – dorthin, wo die anderen hergekommen sind, die Delegation, aus dem Paradies, aus dem Jenseits hinter den Sternen.

 
31
 
    Toronto liegt auf der gleichen geographischen Breite wie Florenz. Wir fuhren mit dem Wagen nach Norden: Unübersehbare Weizenfelder – dann Parklandschaft, Mischwald, dazwischen einige hundert Seen, schließlich niederes Buschland. Sudbury liegt auf der Höhe von Bozen, aber die Vegetation gleicht dem Norden Skandinaviens. Hier fehlt der Golfstrom, das atlantische Fernheizwerk. In knapp vier Stunden haben wir hier die verschiedenen Vegetations- und Klimazonen durchfahren, die sich in Europa auf über dreitausend Kilometer erstrecken.
    Aber was wir dann zu sehen bekamen, war keine phantasievolle Variante der Natur; hier hatte wieder einmal der Mensch seine Zeichen gesetzt: Die Birken wälder waren abgestorben. Geknickte weiße Stümpfe – kilometerweit. Der Granit war schwarz, seine Oberfläche rauh und zerfressen. Die Abgase der Nickelmine vergiften die Umwelt, töten sie ab. Noch dreißig Meilen bis Sudbury.
    »Aber wir haben Glück«, sagte der Kanadier, der uns begleitete, einer von Günter Oldenburgs Kollegen. »Wir haben Glück, sie streiken, sie streiken seit vielen Wochen.« In Sudbury, in Falconbridge waren die Schmelzöfen erloschen. Die Schlote auf den pechschwarzen Abraumhalden im Norden über der Stadt qualmten nicht mehr. Klarer Himmel.
     
    Louis Salans Drugstore war leicht zu finden, er lag an der Bahnlinie. Wir kamen vom Süden und mußten daran vorbei. Salan hatte keine Zeit für uns, er arbeitete in seinem Studio. Vor dem goldgelben Samtvorhang stand ein Brautpaar. Zwischen den Lampen drängelte sich eine vielköpfige Sippe. Diese Leute sprachen polnisch. Salan gab auf französisch Anweisungen und versuchte, uns auf englisch abzuwimmeln. Er habe auch später keine Zeit, die Hochzeitsbilder müßten bis zum abendlichen Festessen der Familie fertig sein. Er zeichnete uns auf, wie wir den Weg zu Tywells Farm finden könnten. Wir fanden wirklich hin, aber nicht mit dieser Skizze. Tywell saß in der winzigen Wohnstube und trank Kaffee. Um ihn herum tobten vier Kinder, seine Frau war zum Einkaufen gefahren. Alle freuten sich riesig über unseren Besuch, die Farm liegt einsam, außer Fernsehen ist nicht viel los. UFOs hatten sich auch nicht mehr blicken lassen. Tywell hatte drei regelmäßig erscheinende UFO-Zeitschriften abonniert und fand seine Aufnahmen von damals immer noch wesentlich besser als die in den USA veröffentlichten. Richtig – heute war der 9. September – heute vor einem Jahr ist es passiert; er hatte gar nicht daran gedacht. Wir gingen über den Hof. Die Gebäude zerfielen, die altmodischen Maschinen rosteten vor sich hin.
    Ich hatte andere Vorstellungen von einer kanadischen Farm. Kann man von drei Hektar Land und vier Kühen leben? »Nein, kann man nicht, natürlich nicht!« – Tywell lebt von Streikgeld. Seit zehn Jahren arbeitet er in den Minen von Falconbridge, über Tage, natürlich. Er fährt einen Caterpillar, so eine Planierraupe. Seine Kühe hat er nur zum Spaß. Aber irgendwann wird er sie verkaufen. Wegen der Kühe kann er keinen Urlaub machen, er findet niemand, der sich mal für drei oder vier Wochen um die Tiere kümmern würde. »Urlaub – wohin? Zum Jagen? Nach Alberta, in den Norden oder nur in die ›Wilderness of the Voyageurs‹, ins Buschland?«
    Tywell war entsetzt. Wenn, dann mindestens Florida oder die Bahamas! Da gibt es neuerdings billige Pauschal-Flugreisen. Vielleicht auch Puerto Rico. Aber nach Puerto Rico nimmt man seine Frau nicht mit. Er zwinkerte mir zu. Übrigens, der Streik ist auch schuld, daß keine UFOs mehr gekommen sind. Die Öfen sind aus, die Anlagen kalt

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