Die Delegation
Hanniek. Callaghean bleibt nie ›bei der Sache‹. Nebensächliches kommt ins Bild, verfließt, verschwindet. Objekte und Personen lösen einander ab ohne rechtes Konzept. Alles ist in Bewegung, es entsteht Rhythmus – aber auch Hektik und Nervosität.
Ruhig dagegen und fast unbeweglich sitzt ein Mann neben seinem Schreibtisch. Weiße, ordentlich gescheitelte Haare, dunkle Brauen, schmales, asketisches Gesicht, schwarzer Anzug, Sakko offen, darunter eine helle Strickweste. Ihm gegenüber Roczinski, verloren in einem tiefen Ledersessel für Besucher. Vor ihm steht das Tonbandgerät.
»Herr Professor Mitterer, Sie sind Schweizer, leben als Philosophieprofessor hier in den USA, sind Theologe, gehören dem Jesuitenorden an und waren bis vor kurzem Mitglied des Komitees für ›Long-Range-Studies‹, einer Organisation, die mögliche Perspektiven der Raumfahrt untersucht. Darunter auch die Chancen für einen unmittelbaren Kontakt mit intelligentem Leben im Universum. Nehmen wir nun einmal den umgekehrten Fall: Nicht wir entdecken, sondern wir werden entdeckt. Hochzivilisierte Wesen landen auf unserem Planeten. Was geschieht mit uns? Werden sie uns kolonisieren? Was sind wir in den Augen solcher Wesen – Sklaven? Oder Vieh?«
Mitterer kontert mit Humor und Ironie. Das vermittelt uns den falschen Eindruck, er denke tolerant oder gar modern. »Weder – noch. Hyperzivilisationen haben weder Bedarf an Sklaven noch an Vieh, noch an irgendwelchen anderen materiellen Dingen.
Es gibt nur eine Ware von besonderem Interesse, die von Stern zu Stern zu transportieren sich lohnt: INFORMATION!
Aber so etwas kann durch Radiowellen geschehen, ohne die astronomischen Kosten und Schwierigkeiten der Raumfahrt. Deshalb glaube ich nicht an intelligente Besucher aus dem Kosmos.«
Roczinski versucht zu provozieren:
»Unterschätzen Sie nicht die Neugierde der Extraterristen?«
Aber Mitterer bleibt gleichmütig.
»Muß man Wahrheit unbedingt anfassen können? Ich meine, wenn man sie geistig erfassen kann? Außerdem: Eine wahrhaft intelligente Gesellschaft hat keinen Bedarf und kein Interesse an Technik. Weisheit bedarf nicht der Wissenschaft. Abgesehen davon halte ich das persönliche Erscheinen fremder Intelligenzen – ob weise oder nicht – hier bei uns für unmöglich, aus rein physikalischen Gründen. Die räumlichen Entfernungen sind zu gewaltig, unüberbrückbar.«
Roczinski schüttelt den Kopf.
»Es gibt Wissenschaftler, die darin keine Schwierigkeiten mehr sehen.«
Mitterer lehnt sich zurück:
»Da kenne ich keinen! Nein. Die bemannte Raumfahrt mag evolutionär bedingt sein – der Mensch muß in den Kosmos vorstoßen wollen, das gehört nun einmal zu seiner Entwicklung –, mangels eines realen, erreichbaren Zieles ist sie aber letzten Endes absurd.«
Roczinski taucht aus seinem Sessel auf, rutscht nach vorne, an den Rand:
»Wert oder Unwert der Raumfahrt ist ein unerschöpfliches Thema, Herr Professor.
Mein Besuch hat einen konkreten Anlaß: Am 9. September scheinen außerirdische Wesen auf unserem Planeten gelandet zu sein.«
Mitterer winkt spöttisch ab. Aber Roczinski fährt fort:
»In Kanada. Ich habe den Platz selbst gesehen! Ich habe auch sonst gewisse Beweise!«
»Na, ›gewisse Beweise‹ … Ich habe Ihre Geschichte bereits gehört. Man hat mich vor Ihnen … nun ja, also ›gewarnt‹ wäre wohl zuviel gesagt. Darf ich Ihnen einen Rat geben, Herr Ro …«
»Roczinski!«
»Ja. – Mieten Sie sich einen Tresor, schließen Sie Ihre gewissen Beweise dort ein und werfen Sie den Schlüssel ins Meer. Sie sind ja nicht gerade einer der ersten, der mit einer Sensation dieser Art aufwartet. Es sind schon ganz andere auf irgendwelche Phänomene hereingefallen.«
»Wovor haben Sie Angst?« Roczinski rettet sich in Ironie. »Droht uns Gefahr? – Oder Vernichtung?«
»Es wäre unwissenschaftlich, diesen fremden Wesen Aggression zuzuschreiben, ihnen zerstörerische oder mörderische Absichten oder andere menschliche Verhaltensweisen zu unterstellen.
Nein! Allein die Begegnung mit einer soziologisch, psychisch, technisch völlig anders organisierten Gesellschaft, die uns in allen Bereichen überlegen sein dürfte, muß die Auflösung unserer eigenen Gesellschaft, eine Veränderung aller Wertvorstellungen und Strukturen zur Folge haben.«
Roczinski geht in Angriffsstellung:
»Wäre das ein Nachteil? Oder fürchten Sie die Auflösung lieb gewordener theologischer Vorstellungen? Fürchtet die Kirche, daß Fragen
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