Die Delegation
anderer Träume sichtbar zu machen. Das Tribunal der Traumfabrik. Eine Exekutionsstätte. Und doch, genau betrachtet, nur ein Sandkastenspiel. Denn über Erfolg und Mißerfolg wird ganz woanders entschieden: in der Öffentlichkeit, vor dem Publikum. Vor dreizehn Jahren war ich Assistent von Franz Peter Wirth. Der hatte gerade ›Helden‹ gedreht, nach der Komödie von Bernard Shaw, mit Lieselotte Pulver und O. W. Fischer. Es war ein rundherum wohlgelungener Film. Nach vielen Monaten Arbeit im Schneideraum führte Franz Peter Wirth ihn nun hier in diesem Raum seinen beiden Produzenten vor, den Geldgebern und auch den Meinungsmachern. Es war ein bedeutendes, ein erlauchtes Gremium. Als es wieder hell wurde, herrschte tödliches Schweigen. Nach einer Komödie! Lähmung breitete sich aus, Panik, von oben nach unten, wie eine Epidemie.
Die Herren standen auf, gingen hinaus, einer nach dem anderen, wortlos, grußlos. Für den Regisseur, den Drehbuchautor, für Kameramann, Cutter und Szenenbildner hatten sie keinen Blick mehr übrig.
Weiß Gott, was sie sich erwartet hatten. Nun rechneten sie mit einem Totalverlust. Sie spekulierten auf Baisse. Und wieder einmal grub er sich ein in diese Wände, dieser Geruch: Angstschweiß.
›Helden‹ wurde einer der erfolgreichsten deutschen Filme; er spielte mehrere Millionen ein.
Nun ist er tot, der alte deutsche Film. Wenigstens so ziemlich. Der Angstschweiß ist geblieben. Die Pläne zum Umbau dieses Raumes liegen bereit.
Ob mit der alten Tapete auch dieser Geruch verschwindet? Das Licht verlöschte, die Vorführung ging weiter. Die Rollen drei und vier: Roczinski in Washington, Verena Cumber berichtet unter Hypnose.
Zwei Stunden später waren wir durch – elf Rollen, mit Pausen. Weitere zwei Stunden diskutierten wir, durchstöberten Roczinskis Tagebücher, seine Notizen, die Fotos.
Zu einem Ergebnis kamen wir nicht.
Hans-Jürgen Bobermin traf ein, ZDF-Redakteur und Verbindungsmann zur Bavaria. Er sollte dieses Projekt betreuen – sofern eines daraus würde.
»Warum sollte nichts daraus werden?« Ich ließ mir meinen Optimismus nicht mehr nehmen.
»Weil wir nicht wissen, was wirklich geschehen ist!« Es gab also noch hartnäckige Skeptiker unter uns. »Warum müssen wir wissen, was wirklich geschehen ist? Genügt nicht die Annahme, daß so etwas geschehen sein könnte? Geht es nicht in erster Linie um die Idee? Die Idee, daß andere Zivilisationen existieren und uns – die wir es so herrlich weit gebracht haben – weit überlegen sind?«
»Hier steht: ›Der amerikanische Radioastronom Frank Drake sagte unlängst: Kaum jemand im Weltall ist dümmer als wir!‹«
Bobermin hatte einen Ausschnitt aus der Süddeutschen Zeitung mitgebracht. Und in Roczinskis Tagebuch heißt es unter dem 20. Oktober:
›Wir stehen an einer neuen Kopernikanischen Wende. Jahrhundertelange Bemühungen der Philosophie sind dann so gut wie in den Wind gedacht. Der uralte Stolz der Menschheit wird tödlich getroffen: unser ALLEINVERTRETUNGSANSPRUCH gegenüber der Schöpfung.‹
Als Roczinski das schrieb, erwartete er bereits einen persönlichen Kontakt mit dieser ›Delegation‹.
Wir erwarten mehr als nur Kontakt. Wir erwarten Erkenntnis! Die Gewißheit ›WIR SIND NICHT ALLEIN IM UNIVERSUM‹ würde in der Tat unser Bewußtsein völlig verändern.
Wahrheit entsteht nicht nur durch Fakten, sondern auch durch Fiktion.
»Betrachten wir das Ganze einmal als Spiel. Das Spiel heißt: Sie sind hiergewesen – sie sind wieder abgereist: die Herren vom anderen Stern.
Bleibt uns die Frage: Weshalb waren sie hier – weshalb sind sie wieder fort, ohne Kontaktnahme, ohne Manifestation?«
»Ist das so sicher – ohne Kontaktaufnahme?« – Bobermin versuchte zu provozieren: »Würden wir Roczinski glauben, wenn er geschrieben hätte: Jawohl, ich habe sie getroffen, sie haben mich von ihrer friedlichen Absicht überzeugt, sie haben mich gebeten, sie nicht zu filmen, und sie haben mir folgende Botschaft hinterlassen – Doppelpunkt – Anführungsstriche…?
Genau dann hätten wir das Ganze mit ein paar sarkastischen Bemerkungen abgetan, säßen gar nicht hier, würden niemals ernsthaft in Erwägung ziehen, dieses Material einem größeren Publikum zugänglich zu machen…«
»Ziehen wir denn das wirklich ernsthaft in Erwägung?« Wir diskutierten im Kreis herum.
Keiner von uns bezweifelte, daß außerirdisches, intelligentes Leben möglich ist.
Aber jeder von uns zweifelte daran, daß
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