Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Geheimen, ungesagt, verdeckt? Mörder zu finden ist doch im Interesse aller, oder? War ihre Sicht zu naiv? Sie grinste. Naiv war sie nach all den Jahren wohl kaum, sie hätte die Welt nur so gern manchmal logischer, transparenter, ehrlicher, einfach besser.
Inzwischen war es kurz vor zwölf und Apéritifzeit in Frankreich. Ruhepause bis circa drei Uhr, Zeit für Essen und Siesta. Sie rief noch bei Luc an, erreichte ihn jedoch nicht. Er würde sich sicher melden. Ob er schon mit Jean-Pierre gesprochen hatte? Dabei fiel ihr etwas ein.
Wieder griff sie zum Telefon und rief ihre Freunde aus Saint-Martin-de-Londres an. Robert war vor fast zehn Jahren in Sophie verliebt gewesen und von dieser Beziehung war eine große Vertrautheit übrig geblieben, die Lene ebenso mit einschloss wie seine spätere Freundin und jetzige Frau Nathalie. Robert war am Telefon. Er fragte gleich, ob Mike inzwischen angekommen war. Ihr fiel ein, dass sie vergessen hatte ihn anzurufen. Sie erzählte von Mikes Verschiebung der Reise und erntete viel Freude, als Robert hörte, dass Sophie und Jonas mit Susanne heute ankämen.
Dann berichtete sie ihm von dem Mord und ihrer jetzigen Aufgabe. Und kam schließlich zum Punkt, der sie beschäftigte.
» Kennst du Jean-Pierre Malineau?«
» Den Priester?«
» Eher nicht. Der, den ich meine, studiert Kunstgeschichte, ist etwa Ende zwanzig, warte achtundzwanzig, um genau zu sein.«
» Ja, das ist er. Wir haben ihn den Priester genannt, weil er eigentlich das Priesterseminar besucht hat. Kurz vor der Weihe ist er dann ausgestiegen. Keiner wusste warum. Aber ich kann mich mal umhören. Ich kenne einen seiner Freunde.«
» Das wäre eine große Hilfe. Rufst du mich an, wenn du es weißt?«
Robert ve rsprach es und reichte sie noch an Nathalie weiter. Im Hintergrund hörte sie die beiden Kinder, Vivien und Justine, durch die Küche toben. So wurde es nur ein kurzes salut .
Sie setzte sich unter ihren Pavillon, legte die Notizen aus dem Büro vor sich hin und versuchte alle Informationen zu sortieren. Erstellte eine Liste. Es waren sechs Plätze mit Deutschen, teils Familien, teils Paare. Mit Frank und Nicole sieben. Aber jetzt in der Mittagszeit? Wer sich nicht an diese französischen Zeiten hielt, war als Deutscher oft mittags am Strand. Was ein Franzose nie tun würde. Sie würde sie sicherer antreffen, wenn sie heute Abend ab sechs zu ihnen ginge. Aber die drei Anrufe in Deutschland konnte sie noch erledigen. Und die zwei in den Niederlanden gleich mit.
Sie zog sich zurück in den Caravan, damit niemand mithören konnte. Drückende Wärme empfing sie, trot zdem schloss sie die Fenster.
» Paulsen«, meldete sich der Erste.
Lene erklärte dem Mann, worum es ging. Er reagierte entsetzt, konnte sich s ofort an Brigitte erinnern. Sie hörte durch das Telefon, wie er seine Frau rief und es ihr erzählte. Lene wartete einen Moment, bis sie die Neuigkeit aufgenommen hatten. Dann fragte sie nach einem Mann, den Brigitte gekannt hätte.
» Nicht aus unserer Allee? Nein, das hätten wir bemerkt. Natürlich, die Nachbarn redeten immer miteinander. Aber einer, der heimlich zu ihr schlich? Nein. Warten Sie mal, meine Frau will noch etwas sagen. Sie hat unser Gespräch mitgehört.«
Eine klare weibliche Stimme meldete sich.
»Irgendwie, warten Sie. Einmal habe ich einen Schatten durch das Fenster gesehen. Den Schatten eines Mannes. Nachts, ich bin noch mal zum Zähneputzen und es war sicher schon nach Mitternacht. Ich habe mich noch gewundert. Aber in dem Moment hat sie schon die Vorhänge vorgezogen.«
Also doch. »Können Sie ihn irgendwie beschreiben?«
» Nein, nur ein Profil und dann noch als Schatten. Nichts Auffälliges. Sie hatte wohl nur ein Kerzenlicht an. Groß war er. Bestimmt über 1,80 m.«
» Wissen Sie, wann das in etwa war? Ich meine, an welchem Tag?«
» Nein, das weiß ich nicht mehr. Irgendwann, lange bevor wir abgefahren sind, also vor dem 1. Juli. Wohl so um den 20.Juni vielleicht.«
Lene gab ihr noch ihre Telefonnummer, bat sie, noch einmal nachzudenken und wenn ihr irgendetwas einfi ele, sich bei ihr zu melden. Egal, welche Tageszeit.
Dann rief sie noch bei den anderen an, aber zwei waren nicht zu Hause, eine Frau wollte noch ihren Mann fragen, wusste selbst aber nichts beizusteuern. Die anderen wussten nichts, hatten nichts bemerkt. Lene war schon froh, wenn sie sich Brigitte vorstellen konnten. Die Niederländer waren sehr freundlich und hilfsbereit, Lene war wieder erstaunt,
Weitere Kostenlose Bücher