Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Wie hätte ich sonst so ein Erlebnis bewertet? Hätte ich es überhaupt begriffen? Oder gehabt?
Und Jean-Pierre. Als ich es ihm erzählte, wurde er ganz still. Ich dachte schon, er glaubt mir nicht. Dann sagte er leise,
› Weißt du eigentlich, dass die Katharer an die Reinkarnation glaubten? Und die Christen auch zu Anfang? Bis zum Jahr 553 nach Chr., als im 5. Konzil von Konstantinopel auf Druck des damaligen Kaisers Justinian die paar Bischöfe, die damals daran teilnahmen, - und es waren nur einige wenige, weil die anderen dieses Konzil ächteten - die Reinkarnationslehre verboten. Sie erklärten sie als Ketzerei, die schwer bestraft würde. Später konnte man sich dann von allen Sünden durch Ablässe loskaufen. Ablass statt des Karmagedankens. Für die Kirche bedeutete das viel Geld. Vor allem jedoch wurden die Menschen dadurch entmündigt, zu Schafen, die den Hirten ab da bedingungslos folgen mussten. Nur das jetzige Leben war wichtig – nach Aristoteles, der der Ansicht war, dass der Mensch gleichzeitig mit dem Körper mit einer neuen Seele geboren wurde, neu geschaffen, und dass der Mensch nur dieses eine Leben hatte. Er, der den Menschen damit in die tiefste Falle der Verzweiflung von Fegefeuer und Hölle und damit der Materie führte, bildete jetzt im christlichen Glauben das neue Fundament.
Der Gedanke an Wiedergeburt wurde in der Bibel ausgelöscht, die Stellen, die sich dara uf bezogen, regelrecht aus dem Neuen Testament entfernt. Bis auf zwei. So weist Jesus an diesen Stellen daraufhin, dass Johannes der Täufer die Wiedergeburt des Propheten Elias wäre.
Der Glaube an Wiedergeburt ist nicht nur den Indern und Buddhisten vorb ehalten. Er gehört auch zu den meisten anderen Religionen. Wusstest du, dass auch viele Christen heimlich davon überzeugt sind? Man spricht von mindestens dreißig bis vierzig Prozent in Europa. Manche sprechen sogar von bis zu siebzig Prozent.‹
Woher weiß er das nur alles? Ich traute mich nicht ihn zu fragen, ob er auch daran glaubt. Vielleicht später einmal.
Aber ich bin so froh. Mama und ich sind also keine Spinner. Und vor allem hat er mich nicht ausgelacht!
5. Juli
Heute endlich konnte ich Jean-Pierre nach seiner Fahrt nach Toulouse sprechen. Wir müssen zwar noch Geduld haben, sagt er, aber sein Freund wäre ziemlich überzeugt davon, dass sie echt sein könnte. Was wird sich Papa freuen! Das wird ganz schön aufregend. Aber verkaufen werde ich die Gürtelspange nie! Ich möchte sie am liebsten dauernd aus ihrem Versteck holen und streicheln. Ich lese jetzt das Buch über die Katharer. Alles ist jetzt anders, als ob es mich betrifft. Oder betraf. Spannend.
6. Juli
Heute Morgen rief plötzlich Sebastian an. Er ist immer noch auf seiner Europareise, zurzeit hier in der Nähe in Südfrankreich und will mich besuchen. Ich weiß gar nicht, wie ich mit dieser neuen Verwandtschaft umgehen soll. Ist er jetzt mein Stiefcousin? Oder Halbcousin? Oder was? Ich muss Mama fragen.
Schon verrückt, wenn man plötzlich Verwandte am anderen Ende der Welt hat. Übe rhaupt die ganze Geschichte. Bin gespannt auf ihn. Ob wir uns ähnlich sehen? Irene fand ihn ja sehr nett. Zwei Jahre ist er älter als ich – na, mal sehen.
Lene unterbrach sich und holte noch eine Flasche Was ser. Was war denn das für eine neue Verwandtschaft? Sie musste Marion fragen.
In dem Moment hielt ein Renault Scenic neben ihrem Platz. Sophie stieg aus und rannte auf sie zu, in eine heftige Umarmung. Lene atmete den Duft ihrer Tochter ein und hielt sie ganz fest. Ein gutes Gefühl. Endlich einmal wieder. Seitdem Sophie in Hamburg lebte, sahen sie sich eben sehr viel weniger, zumal die Galerie oft gerade am Wochenende ihre Anwesenheit brauchte.
Jonas war auch schon ausgestiegen und umarmte sie heftig. Susanne war g efahren, streckte erst einmal ihre angestrengten Glieder, dann flog ein frohes Lächeln über ihr Gesicht. Lene bekam einen Kuss.
» Herrlich endlich hier zu sein. Ferien.«
Ferien zusammen. Lene war glücklich.
Kapitel 12
Luc Renaud wartete schon auf dem Parkplatz unter den herrlichen alten Platanen. Er hatte eine Lücke für sie freigehalten und sie glitt mit ihrem neuen Alfa hinein. Dann schlenderten sie durch den Schatten der Bäume zum Bistro und setzten sich in die hellen Korbstühle.
» Die sind aber neu. Sie hatten hier doch immer so lieblose, unbequeme Sitzgelegenheiten.«
» Ja, auch Frankreich nimmt manchmal die Wünsche der Touristen wahr«, machte sich Renaud über
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