Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)
Weißbrot. Dazu ein Eimer voll Kartoffel- und einer mit Krautsalat, ein paar Gläser Mixed Pickles, Silberzwiebeln und etwas, das sich Schlesische Gurkenhappen nannte. Der ›Nachtisch‹ bestand aus zwei Paletten Dany plus Sahne. Schokogeschmack.
»Alles mit vierzig Prozent Rabatt«, verriet mir Dille stolz. »Die Frikadellen haben mir die Kollegen aus der Fleischereiabteilung sogar so gegeben. Als Hochzeitsgeschenk!«
»Echt nett«, sagte ich. »Aber findest du nicht, dass du zumindest die Salate aus den Eimern in Schüsseln umfüllen solltest?«
»Kaum ist die Punkfrisur weg«, grinste Dille und musterte mein ungewohnt sortiertes Haupthaar, »da wird unser kleiner Umstürzler schon zum Snob.«
»Wir wollen feiern«, rief Petra aus der Ecke, »keinen Gourmet-Preis gewinnen.«
Ich zuckte mit den Achseln. Klang einleuchtend.
Die Anlage war bereit. Ich legte eine der LPs auf, die ich mitgebracht hatte, und freute mich, mit welcher Wucht California uber alles von den Dead Kennedys aus den Boxen dröhnte. Meine anderen Platten – eine reichhaltige Lärmauswahl von den Toy Dolls über The Cure bis zu den Buzzcocks – stellte ich zu den Scheiben, die das zukünftige Brautpaar bereitgestellt hatte: Deep Purple, Black Sabbath, Kiss, Tommy Bolin, Meat Loaf, Richie Blackmore’s Rainbow und Grobschnitt . Ja, es versprach eine heftige Feier zu werden.
Gerade schloss ich die kleine Lichtorgel mit den drei verschiedenfarbigen Glühbirnen an, die Dille sich von einem Arbeitskollegen geliehen hatte, als die Tür aufging. Susann kam herein. Und, Mann: Sie sah toll aus!
Susann trug einen langen, schwarzen Rock und einen weißen Pulli, der dünn und flauschig zugleich war. Kaschmir, wie ich später erfuhr. Sie hatte ihr Haar hochgesteckt, trug zwei kleine Ohrringe (nicht solche christbaumschmuckartige Monstrositäten wie sonst) und hatte sich, was sie sonst sehr selten tat, die Augen geschminkt und ein wenig Lippenstift aufgelegt. Ich weiß, das klingt jetzt nicht nach einem spektakulären Anblick, doch mir fiel fast die Kinnlade herunter: He, da steckte eine richtig aufregende Frau in dem Hippiemädchen!
Es ist nämlich ein alter Irrglaube, dass Männer an einer Frau möglichst viel Fleisch sehen wollen. Zumindest mich nerven tiefe Ausschnitte und kurze Röcke enorm. Wenn ich mich mit einer großzügig dekolletierten Frau unterhalte, bin ich dermaßen damit beschäftigt, ihr nicht auf die Brüste zu starren, dass ich keine vernünftige Konversation zu Stande bekomme. Ich glotze ihr mit solcher Vehemenz in die Augen, dass ich aussehe wie ein Geistesgestörter, und höre kein Wort von dem, was die Busenfrau sagt. Alles, was ich wahrnehme, ist meine eigene Stimme, die in meinem Kopf unermüdlich mahnend repetiert: » Schau ihr nicht auf die Titten. Schau ihr nicht auf die Titten …«.
Nee, mal ehrlich: Wo ist da die Logik? Jahrzehntelang kämpften die Frauen dafür, nicht zu Sexualobjekten degradiert zu werden, und dann tragen selbst die härtesten Emanzen zu besonderen Anlässen plötzlich ihre Möpse demonstrativ halb aus der Bluse hängend spazieren, als hätten sie sie selbst mühsam mit Kraftfutter aufgepäppelt und erwarteten jetzt einen Zuchtpreis dafür. Denken die wirklich, wir Kerle könnten das ignorieren? Für Männer, die sich um ein respektvolles Verhalten gegenüber dem anderen Geschlecht bemühen, ist so etwas eine Folter. Es ist, als würde man auf dem Jahrestreffen der Weight Watcher einen Butler mit Tabletts voller Cheeseburger und Sahnetorten herumflanieren lassen. Denn natürlich läuft uns Männern allesamt das Wasser im Mund zusammen, wenn man vor unserer Nase mit Brüsten herumschwenkt. Unser Urinstinkt ist es, sich darauf zu stürzen, den Kopf darin zu vergraben und sie zu drücken und zu knuddeln, bis wir einen Muskelkater bekommen. Und nur unsere gute Erziehung hält uns davon ab. Wenn eine Frau allerdings glaubt, wir fänden sie als ganzes Wesen attraktiv, wenn uns ihre Brüste aus dem Konzept bringen, dann irrt sie. Wir reagieren bloß wie die Neandertaler auf jenen wunderbar gewölbten Bereich ihrer Erscheinung – der Rest der Dame ist uns Gierlappen in diesem Moment völlig schnuppe.
Lange Rede, kurzer Sinn: Susann sah nicht ›geil‹ aus oder ›sexy‹ oder sonst wie die männliche Speichelproduktion fördernd, sondern schön . Attraktiv . Elegant . Bezaubernd . Und auch wenn das Gros der Damenwelt es nicht glauben mag: Wir Männer reagieren auch auf diese Attribute mitunter sehr
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