Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)
Schmetterlinge im Bauch«, sagte ich – und wundere mich noch heute, wie ausgerechnet mir Knalltüte so eine spontane, zauberhafte, romantische Antwort gelingen konnte. Sie war kein Kalkül, keine Masche. Es war ehrlich, was ich fühlte.
Dann war Lady in Black zu Ende, und Dille legte Ich glotz TV von der Nina Hagen Band auf. Ich zog Susann sanft von der Tanzfläche in eine Ecke des Raumes. Dort nahm ich ihren Kopf in beide Hände, sah sie lange an, lächelte, freute mich, als sie zurücklächelte, und küsste sie wieder. Wir küssten uns höllisch lange. Noch mal und noch mal. Und ich fand es toll, dass sie wusste, dass ich nicht reden wollte. Ich wette, sie brannte darauf, etwas zu sagen, etwas von mir zu hören, alles auszudiskutieren und wasserdicht zu machen – doch sie blieb still. Und wir küssten uns!
Als Ideal durch den Raum schepperte – Deine blauen Augen machen mich so sentimental – flüsterte ich Susann zu: »Lass uns gehen.«
Sie reagierte nicht sofort.
»Ist doch eh bald Schluss hier«, sagte ich. »Komm, wir fahren zu mir.«
Susann überlegte. »Moment«, sagte sie schließlich – und ging! Ich blieb stehen wie ein Trottel und wunderte mich. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass sie auf Sven zusteuerte, der am Büffet stand, einen Dany plus Sahne in der Hand hielt und sich offensichtlich fragte, wo all die Plastiklöffel abgeblieben waren, die zu Beginn des Abends noch in unfassbaren Mengen auf dem Tapeziertisch herumgelegen hatten.
Susann ging auf ihn zu und umarmte ihn. Sehr innig. Und dann redete sie auf ihn ein. Sven grinste. Aber es sah gequält aus, fand ich zumindest. Worüber, zum Teufel, reden die? Was soll das? Mir wurde es zu blöd, und ich ging Susann hinterher. Bevor Sven mich sah und seinen Satz abrupt unterbrach, hörte ich noch »… schauen, ob’s gut geht …«.
»Hi, Sven«, sagte ich und legte demonstrativ meinen Arm über Susanns Schulter. Das war idiotisch, weiß ich ja. Wie ein Orang-Utan-Pascha, der sein Weibchen vor den Konkurrenten markiert: Das hier ist meine – halte Abstand! Aber war das ein Grund für Susann, sich sofort vehement aus meiner besitzergreifenden Umarmung herauszuwinden und mich dermaßen tadelnd anzuschauen? Schließlich hatten wir eben gerade noch beträchtliche Mengen Speichel ausgetauscht, da ist doch so ein Arm auf der Schulter keine große Sache! Ich beschloss, ihre aufkeimende Feindseligkeit einfach zu ignorieren, und sagte: »Komm, wir gehen!«
Susann sah Sven an. Sven sah Susann an.
»Wollen wir?«, bohrte ich.
»Okay?«, fragte Susann Sven.
Wieso fragte sie ihn das?
Sven nickte. Und zwinkerte sogar. »Viel Spaß!«, sagte er. Zu Susann wohlgemerkt, nicht zu mir.
»Sicher?«, fragte Susann.
Sven winkte ihr demonstrativ zum Abschied und drehte ihr dann den Rücken zu, auf der scheinbaren Suche nach einem Löffel.
Ich kapierte das nicht: Warum musste sie Sven um Erlaubnis fragen, wenn sie mit mir weggehen wollte? Hatten die beiden was laufen und probierten gerade irgend so ein polygames Hippie-Ding aus? Es ärgerte mich, dass es von Svens Gnade abhing, ob ich mit Susann ins Bett gehen durfte. Mal ehrlich: Wen würde das nicht ärgern?
»Ich hole meine Jacke«, sagte Susann und gab mir einen Kuss.
Andererseits … was sollte das? Ich wollte genießen, was gerade passierte. Über die Portion Stress, die zu jedem Glück dazugeliefert wird, würde ich später nachdenken.
»Ich will!«, sagte Dilbert.
»Ich will!«, sagte Petra.
»Ich will auch«, flüsterte ich meiner Trauzeugenkollegin ins Ohr. »Jetzt sofort.«
Susann kicherte. »Schon wieder?«, flüsterte sie. Sie schaute auf ihre Armbanduhr. »Es ist gerade mal dreieinhalb Stunden her.« Ich rollte viel sagend mit den Augen und grinste wie ein Breitmaulfrosch.
»… zu Mann und Frau!«, schloss die Standesbeamtin. Susann und ich warteten, bis das frisch gebackene Ehepaar Kasinski sich pflichtgemäß geküsst hatte. Dann gingen wir auf sie zu. Ich klopfte Dille auf die Schulter: »Gut gemacht! Viel Glück, Mann!«
»Danke!« Dille hatte – ehrlich wahr! – eine Träne im Auge, so gerührt war er von der ganzen Zeremonie.
Susann ging zu Petra, umarmte sie und sagte: »Ich gratuliere!«
Petra hob eine Augenbraue, sah erst Susann, dann mich, dann wieder Susann an. »Ich auch«, antwortete sie ganz cool.
1981
E s wird bestimmt ein Mädchen!«, strahlte Dilbert und schloss diskret die Badezimmertür, hinter der sich Petra geräuschvoll weiter erbrach. »Petra
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