Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)
Wohnung in Barmbek gemietet. Er hatte nicht viele Worte darüber verloren, aber Susann hatte durchaus bemerkt, dass Sven Stress mit seiner Mutter hatte. Das war verwunderlich, denn eigentlich waren die beiden ein Herz und eine Seele gewesen. Sven und seine Mutter waren fast wie Freunde. Doch irgendwann war es zwischen ihnen abgekühlt. Und jetzt wohnte Sven allein.
Susann drückte auf den Klingelknopf. Sven öffnete und lächelte, als er sie sah: »Oh, hi! Was für eine nette Überraschung!«
»Frühstück«, sagte Susan, als sie die Tüte mit den Brötchen, die sie am Bahnhof beim Bäcker gekauft hatte, aus ihrer Stofftasche fingerte. Sven sah auf seine Armbanduhr und zog ironisch die linke Augenbraue hoch.
»Okay«, grinste Susann. »Mittagessen?«
Sven ging in die Küche und drehte das Radio leiser, in dem Blondie gerade ihr Heart of Glass besang. Susann setzte sich an den kleinen Tisch mit der Resopalplatte und konnte es nicht länger für sich behalten: »Eben hat Piet seinen Kopf auf meine Brust gelegt, und ich habe ihn gestreichelt.« Sie versuchte, es ganz beiläufig zu sagen, doch Sven, der gerade einen Tee aufsetzte, hätte vor Schreck fast den Wasserkessel fallen lassen.
»Noch mal«, sagte er. »Langsam und ohne Scheiß!«
»Ich bin heute Morgen zu Piet gegangen, um seine Haare zu schneiden …«
Sven legte skeptisch den Kopf schräg.
»Na, ja«, stammelte Susann. »Wegen der Hochzeit und so, damit er gut aussieht. Egal. Also, während ich ihm die Haare schnitt, legte er plötzlich den Kopf auf meinen Busen …«
Sven schaute Susann unverhohlen auf die Brust. »Mmh. Ja ….?«
»Und dann … ich weiß auch nicht … ich hab ihm seltsamerweise keine geknallt, sondern sein Gesicht gestreichelt.«
»Du hast doch schon davon geträumt, dass er deinen Busen berührt, bevor du überhaupt einen hattest«, grinste Sven. »Wo ist also das Problem?«
»Es ist ja nicht so, dass ich Piet zeitlebens vorwiegend als idealen Brustbetatscher betrachtet habe«, zischte Susann. »Ich meine, meine Vorstellung von Lebensglück besteht nicht darin, dass mir Piet für den Rest meiner Tage die Möpse knetet!«
Sven lachte laut auf.
»Ich meine«, kicherte Susann, selbst verblüfft über ihre Wortwahl, »ich bin verknallt in ihn, seit ich denken kann. Ich will ihn komplett, als ganzen Menschen, nicht bloß sexuell. Und ich habe keine Ahnung, ob er das auch will.«
»So wie ich Piet kenne«, sagte Sven, »hat der selbst keine Ahnung, was er will. Piet ist diesen Dingen ein Depp, dem muss man seine Chancen um die Ohren hauen, und wenn man Glück hat, hält er ein paar davon als Reflex fest.«
»Du meinst … ich sollte mich einfach mit ihm einlassen und dann hoffen, dass etwas Ernstes daraus wird?«
Sven zuckte die Achseln: »Ist das nicht die übliche Methode?«
»Bei euch Kerlen vielleicht«, sagte Susann mit spitzfindigem Tonfall – und wunderte sich, dass Sven plötzlich bitter wiederholte: »Bei uns Kerlen! Köstlich!«
»Was?«, fragte Susann.
»Ach nichts«, wiegelte Sven ab.
»Na los, komm schon … was ist mit … euch Kerlen ?«, bohrte Susann.
Sven sagte nichts. Er sah plötzlich seltsam ernst aus. Hatte er etwa Tränen in den Augen? Susann, die spürte, dass sie nicht mehr beim Thema Piet, sondern etwas Schwerwiegenderem waren, änderte den Tonfall ihrer Stimme. Sanft sagte sie: »Was hast du, Sven?«
Sven drehte sich von Susann weg und zog ein wenig Rotz hoch. Ja, er weinte tatsächlich! Susann stand auf, stellte sich hinter ihren Freund und umschlag ihn mit beiden Armen. »Erzähl«, forderte sie ihn auf.
Und dann brach Sven komplett in Tränen aus.
* * *
Ich war schon zwei Stunden früher gekommen, um die Anlage anzustöpseln. Petra und Dille hatten für ihren Polterabend das Vereinshaus der Kleingartenkolonie am Tegelweg gemietet, und dort standen natürlich bloß ein paar Tische und Stühle sowie ein kleiner Tresen mit fünf Barhockern. Irgendwie mussten wir diese schlichte Hütte in einen partytauglichen Saal verwandeln. Während ich mich durch das Kabelwirrwarr meiner Stereoanlage kämpfte, dekorierte Petra den Raum; das heißt, sie schmiss ziemlich wahllos mit Luftschlangen herum, zog ein paar Girlanden unter der Decke entlang und band allerlei Werbe-Luftballons mit Bolle- Aufdruck zu kleinen Luftballonsträußen zusammen. Dille hatte derweilen einen Tapeziertisch aufgestellt und begann das Büffet aufzubauen: Frikadellen, kalte Knackwürstchen, Kabanossi, fünf Stangen
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