Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
Vom Netzwerk:
Arbeitsterminen mit dem Auto abzuholen, anstatt sie einfach ein Taxi nehmen zu lassen. Deshalb machte er spitzfindige Bemerkungen, wenn sie allzu hübsch, allzu chic, allzu wohlriechend das Haus verließ. Nicht weil er irgendeinen machohaften Besitzanspruch an sie hatte, weil es seine Eitelkeit kränken und sein Ego verkratzen würde. Nein: Weil er sie liebte. Weil er sie wirklich liebte!
    Warum, zum Teufel, glaubte denn niemand, dass er lieben konnte?
    Würde ihn seine Unfähigkeit, seine Liebe nach außen zu tragen, sicht- und greifbar zu machen, seiner Ehe berauben? Würde seine Unromantik ihn die Familie kosten?
    Als Jan im Fernsehen das böse Wort Scheidung ausgesprochen hatte, hatte Petra da entsetzt geschaut? Ihn beruhigend angesehen? Irgendeine Form von Widerwillen über die Idee einer Trennung an den Tag gelegt?
    Nein.
    Sie hatte ganz kühl dagesessen.
    Als ob ihr Sohn etwas sehr Plausibles gesagt hätte.
    War’s das jetzt?
    Verdammte Scheiße: Wie konnte er Petra zeigen, dass er sie liebte? Wie sehr er sie liebte! Und würde das überhaupt noch etwas bringen?

    »Sag’s ihr einfach«, schlug Sven vor.
    »Das wirkt Wunder«, bestätigte Jörn.
    Dille rutschte unglücklich auf dem Stuhl hin und her. Was machte er hier eigentlich: Er saß in der Küche seines schwulen Kumpels und dessen Verlobten und fragte die beiden um Rat in Sachen Frauen! Das ist doch, als würde man mit einem grünen Berufspolitiker über Sportwagen reden. Oder mit Helmut Kohl über Schonkost.
    »Ich habe ihr doch schon gesagt, dass ich sie liebe«, sagte Dille.
    »Ja, aber wie ?«, fragte Sven.
    »Was: wie? Mit dem Mund. In Deutsch«, knurrte Dille.
    Jörn lachte.
    »In welchem Tonfall? In welcher Situation?«
    »Boah!«, seufzte Dille, »Weiß nicht. Einfach so.«
    Jetzt lachte auch Sven.
    »Petra ist doch selbst nicht romantisch!«, wandte Dille ein. »Himmel, Ich musste mit ihr Armdrücken, damit sie mich heiratet! Das sagt doch wohl alles!«
    Jörn staunte: »Armdrücken?«
    Sven legte seinem Zukünftigen die Hand auf die Schulter: »Erklär ich dir später.«
    »Das ist doch alles Scheiße«, knurrte Dille. »Susann und Piet haben doch auch keine Krise. Und Susann ist superromantisch, während Piet … ich meine, das ist ja auch nicht gerade ein Rote-Rosen-Freak. «
    »Piet ist vor Susann auf die Knie gefallen und hat geheult, damit sie ihn nimmt«, belehrte in Sven.
    »Ich heule nicht!«, rief Dille entsetzt. »Kommt gar nicht in Frage!«
    Jörn lachte schon wieder.
    »Schön, dass meine Ehekrise euch erheitert«, knurrte Dilbert und stand auf. »Ich sehe schon, dass ihr mir auch nicht helfen könnt.«
    Nachdem Dille die Wohnung verlassen hatte, setzte sich Sven wieder zu Jörn an den Tisch. Er kratzte sich nachdenklich am Kopf: »Armer Kerl.«
    * * *
    Vierzehn Tage. Etwa vierzehn Tage mussten Susann und ich warten, bis sich herausstellte, ob unser erster klinischer Befruchtungsversuch mit Erfolg gekrönt sein wurde. Frau Dr. Kaliske-Pommerenke hatte ein paar meiner phlegmatischen Spermien so tief wie möglich in Susann hineingepumpt und jetzt blieb uns nur zu hoffen, dass wenigstens einer dieser schlappen Genossen sich aufraffen würde, über Susanns empfangsbereites Ei herzufallen.
    Susann war voller Optimismus. Aber ich hatte sehr wohl die mahnenden Worte der Frau Doktor zur Kenntnis genommen, die uns erklärt hatte, dass Paare im Durchschnitt fast zwei Jahre auf einen Erfolg warteten, dass manche gar acht Jahre entwürdigender und erschöpfender Prozeduren auf sich genommen hätten und dass so manches Paar sich am Ende den Familientraum komplett abschminken und stattdessen einen Hund anschaffen musste.
    Von einem Wauwi ging ich selbst als passionierter Skeptiker nicht aus, wohl aber von einer Adoption. Ich traute meinen Spermien einfach nicht über den Weg. Auch aus diesem Grunde hatte ich meinen Schriftstellertraum begraben und mich wieder fest als Redakteur einstellen lassen. Mehrere Jahre in einem geregelten Job würden unsere Chancen bei den vermutlichen Betonköpfen der Adoptionsbehörde sicher erhöhen.
    Ich arbeitete jetzt also im Axel-Springer-Gebäude für die Wochenendbeilage des Hamburger Abendblatts und versuchte den humoristischen Aspekt der Tatsache zu entdecken, dass mein Gehalt nun von einem Verlag überwiesen wurde, zu dessen Boykott ich vor knapp zwanzig Jahren noch aufgerufen hatte. Susann hatte mir zum ersten Arbeitstag eine antiquarische Taschenbuchausgabe von Wolfgang Leonhards Die Revolution entlässt

Weitere Kostenlose Bücher