Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
Vom Netzwerk:
ihre Kinder geschenkt. Ziemlich scharfsinnig, meine Süße!
    Was meine Versuche als Literat anging, war ich schmählich gescheitert. Ich hatte im wer weiß wievielten Anlauf die ersten 130 Seiten eines relativ blutrünstigen Kriminalromans geschrieben, der bei kritischer Analyse jedoch keinerlei Sinn machte und deshalb unvollendet blieb. Ich hatte ein paar Kurzgeschichten verfasst und mich dabei unverhohlen von Kurt Vonneguts anbetungswürdigen Short Storys in der Anthologie Geh zurück zu deiner lieben Frau und deinen Kindern inspirieren lassen. Bei nochmaligem Durchlesen musste ich jedoch zu der tragischen Erkenntnis gelangen, dass nicht einmal ein Elektronenmikroskop auch nur Partikel von Vonneguts Genie in meinem Geschreibsel entdecken könnte.
    Zuletzt hatte ich mich dann noch an einem Kinderbuch namens Pit, die kleine Qualle versucht, es sogar beendet und einem Verlag geschickt. Als die dortige Lektorin mir schriftlich mitteilte, dass Kinder durchaus kritische Leser seien und es sehr wohl spüren würden, wenn man sie nicht ernst nähme, beschloss ich, meinen Traum der Schriftstellerei endgültig zu begraben. Fortan verriss ich, wie es sich für einen gescheiterten Literaten gehörte, als Kritiker die Bücher anderer Leute.
    Susann, die mittlerweile an einer Realschule unterrichtete und ihren Job liebte, versuchte mich zu motivieren, es weiter zu probieren, doch ich war nicht mehr Willens, mir weitere schmerzhafte Erkenntnisse über mein Unvermögen zuzumuten. Ich konnte nicht schreiben, ich konnte nicht zeugen!
    Regelmäßig griff ich zu Bernhards Briefen, die ich all die Jahre sorgfältig gesammelt hatte. Der letzte war aus Moskau gekommen, wo man jetzt, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, auch als Westler leben durfte. Bernhard half dort, unter der Ägide der UNICEF , Straßenkindern. Hier lebten acht-, zehnjährige Knirpse mutterseelenallein, schliefen in der Kanalisation, weil es dort wärmer war, schnüffelten Klebstoff, tranken lebensgefährlichen Industriealkohol. Bernhard versuchte, wenigstens einigen von ihnen ein menschenwürdiges Leben zu erkämpfen.
    Bernhard war mein Held. Bernhard war der Beweis, dass der Mensch an sich zu Großem fähig ist. Ich sah mir mein eigenes Leben an, das, seit Susann darin vorkam, zwar viel besser geworden war, doch das mir immer noch seltsam unerheblich und wertlos schien. Ich war froh, dass es Bernhard gab! Auch wenn ich es ihm nicht gleichtun konnte, weil mir die Entschlossenheit und der Mut fehlten, war es gut, von ihm zu hören. Es war gut zu erfahren, dass die Welt eben doch keine stete Abfolge von Banalitäten, unvermeidlichen Schicksalsschlägen und Zynismen war.
    Was hätte ich dafür gegeben, Bernhard treffen zu können! Nur eine Stunde mit ihm zu reden. Seine Kraft und seine Güte spüren zu dürfen!
    * * *
    Warum war er aufgestanden und gegangen? Warum sagte er nichts? Hatte Jan womöglich Recht gehabt? Waren sie kein liebendes Paar mehr? Warum konnte Dilbert nicht irgendwie reagieren? Irgendwie!
    Den TV-Auftritt ihres Sohnes empfand Petra zwar als peinlich, aber auch als Chance. Es war eine Chance, sich auszusprechen. Petra liebte Dilbert. Daran hatte sie keinen Zweifel. Doch so, wie sie jetzt miteinander lebten, konnte es nicht weitergehen. Seine Eifersucht nahm krankhafte Züge an – und er ahnte ja nicht, wie überflüssig sie war!
    Ja, Petra hatte ihn betrogen. Vor vier Monaten schon. Doch die kurze, einmalige Affäre, die sie mit dem gut aussehenden Vertreter aus Mannheim im Hamburger Airport-Hotel hatte, hatte sie ein für alle Mal vom Fantasieren über außereheliche Amouren kuriert. Noch nie hatte sie sich so benutzt gefühlt! Mal ganz abgesehen davon, dass der Kerl nach dem Schnaps der Minibar stank und sich nicht einmal die Zähne geputzt hatte, bevor er ihr albern und nur seiner Meinung nach sinnlich in den Ohren geleckt und an ihrer Unterlippen herumgesabbert hatte. Ganz zu schweigen davon, dass drei Minuten Penetration nicht der Zeitspanne entsprachen, die Petra beim Sex gewohnt war. Sie war noch nicht einmal warm gelaufen, als der Typ schon röchelnd auf ihr zusammensackte. Das war sie, ihre Affäre.
    Schöne Scheiße.
    Dilbert wusste nichts davon und sollte es auch nie erfahren. Denn sie war gleichgültig, weil sich Derartiges nie wiederholen würde! Diese Affäre war den Schmerz nicht wert, den ihre Enthüllung bei Dille hervorrufen würde.
    Wie sehr hatte sie gehofft, dass Dille sich nach Jans Fernsehvorwürfen zu ihr umdrehen und

Weitere Kostenlose Bücher