Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)
bloß wegen einer ungeplanten Schwangerschaft als Team wider Willen zusammengefunden hätten.
War es denn wirklich so schwer zu erkennen, wie sehr er Petra liebte?
Dille war am Boden zerstört. Mein Vater ist ein totaler Kindskopf, hatte Jan gesagt . So sah er seinen Vater: als unglückliches Kind, das zu früh erwachsen werden musste. Nicht als Mann, der seine Kinder anbetete. Als Mann, der für seine Familie sorgte. Gut für sie sorgte, wie Dilbert fand. Aber das zählte ja nichts.
Seltsam , dachte Dille. Immer wieder liest man, dass Hausfrauen für mehr Anerkennung kämpfen, dass ihre Leistungen honoriert werden müssten. Und seit jenen denkwürdigen Tagen, als Petra sich an der Algarve sonnte und Dille sich als Survivalist mit Waschmaschine, Kindern und Herd versuchen musste, wusste er, dass diese Forderungen berechtigt waren. Doch im Gegenzug wurden Männer, die Überdurchschnittliches leisteten und sich für die Familie aufopferten, als Karrieremenschen geschmäht und als miese Chauvis verdammt. Ja, glaubten die Leute denn, es mache Spaß, von früh bis spät, Samstage inklusive, in Büros, Werkstätten oder, in Dilles Fall, Supermärkten herumzuhängen, Formulare auszufüllen, Idioten anzuleiten und mit Arschlöchern zu verhandeln? Dille tat das für seine Familie! Für den Anteil, den Lucy an einem Pony im Reitstall hatte, für den beträchtlichen Mitgliedsbeitrag in Florians Hockeyverein und, ja, für Jans sich anbahnendes Studium.
Und Jan lag falsch, wenn er glaubte, sein Vater wäre unglücklich über das Geld, das Petra mittlerweile nach Hause brachte. Im Gegenteil: Er freute sich darüber. Es nahm ihm etwas Druck. Aber, ja: Die Tatsache, dass Petra als Kaltstarterin gleich so viel Furore gemacht hatte, dass sie aus dem Stand einen originelleren und interessanteren Beruf als ihr Mann gefunden hatte, wurmte ihn. Wenn sie sich mit Freunden trafen, fragten die Leute Petra jetzt nach ihrem Job. Sie rezitierte dann ein paar ihrer zugegebenermaßen echt witzigen Glückwunschkarten-Sprüche, und die Leute lachten. Und seit sie neulich eine Delegation von fünf japanischen Geschäftsleuten, die an ihrer Idee von rülpsenden, kichernden und glucksenden Klappkarten interessiert waren, durchs Hamburger Nachtleben führen musste, hatte Petra Anekdotenstoff für drei Jahre. Wie der völlig abgestürzte Yuki-San der Stripperin in den Schoß gekotzt hatte, konnten die Leute gar nicht oft genug hören! Noch nie hatte dagegen jemand Dille nach seinem Job gefragt (außer Piet natürlich, der in der Ödnis eines Supermarktes kurzfristig genau den richtigen Stoff für seinen Jahrhundertroman vermutet hatte, dann aber schnell von der Idee abgekommen war). Wieso auch: Es war ein öder Standardberuf, den er ausübte: Soso, es gibt eine Endverbraucher-Absatzkrise im Bereich niedrigpreisiger Quark- und Frischkäseprodukte. Sehr interessant. Schnarch.
Und was die Eifersucht anging: War das nicht irgendwie auch eine Liebeserklärung? Okay: Dille übertrieb. Er war sich einfach sicher, dass Petra über kurz oder lang eine der Chancen zum Fremdgehen nutzen würde, weil er selbst es an ihrer Stelle auch täte. Mein Gott, Petra hatte wirklich noch nie Sex mit irgendjemandem außer ihm. Da musste sie doch neugierig sein! Ging doch gar nicht anders! Selbst Dille, der ja wenigstens mit ein paar anderen Mädchen geschlafen hatte, bevor er mit Petra zusammenkam, sehnte sich manchmal insgeheim nach einer kleinen Abwechslung. Doch ihm fiel es leichter, sich zu beherrschen, weil er wusste, dass Sex mit jemand anderem nichts weltbewegend anderes wäre. Im Gegenteil: Vermutlich wäre es sogar eine Enttäuschung, weil man noch nicht aufeinander eingespielt war, die Vorlieben und Abneigungen des anderen nicht kannte, den Rhythmus noch suchen musste. Petra dagegen konnte es nicht einschätzen. Herrgott, sie hatte ja nicht einmal eine Vergleichsmöglichkeit, ob Dilles Schwanz überdurchschnittlich klein oder groß war, ob Sex ansonsten länger dauerte, glücklicher machte, schweißtreibender war.
Ja, Dille fand es plausibel, dass Petra die Erfahrung mit einem anderen Mann suchen könnte. Und sie müsste ja nicht mal suchen – so wie sie aussah, so wie sie war, würden die geilen Böcke bei ihr Schlange stehen. Doch Dille würde es nicht ertragen. Deshalb rannte er mittlerweile immer als Erster zum Telefon, wenn es klingelte, und schöpfte bei jeder fremden Männerstimme den schlimmsten Verdacht. Deshalb drängte er darauf, sie von späten
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