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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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Schlagzeug brachten so etwas wie einen nachvollziehbaren Rhythmus in die Darbietung, und der Sänger, der Dille kumpelhaft einen Arm über die Schulter legte, sang nun mit und wies Dille so zumindest hin und wieder den Weg zur richtigen Tonlage.
    Uff!
    Selbst Dille fing nun an zu grinsen. Chris de Burghs Schnulze setzte sich in einer immer noch schwer geschundenen, aber zumindest nicht mehr unerträglichen Version für drei weitere Strophen fort. Und als unser Freund und seine unfreiwillige Begleitband schließlich den Schlussakkord anstimmten (wobei sich Dille und die anderen Musiker nicht ganz einig waren, welcher Akkord das denn nun genau sei), war Petra auf die Bühne geklettert. Und es war unglaublich: Sie fiel Dille um den Hals, weinte vor Glück und vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter!
    Susann und ich sahen uns an und mussten lachen. Peinlichkeit ist eben relativ. Und wie der Pastor richtig bemerkt hatte: Liebe kennt keine Konvention. Im Gegenteil: Wer wirklich liebt, der schämt sich nicht. Genau genommen gab es allen Grund, Dilbert zu bewundern.
    Während Dille und Petra, von gelöstem Gelächter und nahezu frenetischem Applaus begleitet, Arm in Arm die Bühne verließen und nun Hakan auftauchte, der sich für eine Bauchtanz-Darbietung bereitmachte, kam Sven von hinten zu uns heran und legte uns beiden die Arme über die Schulter.
    »Naaa?«, fragte er bedeutungsvoll.
    »Schwanger!«, strahlte Susann.
    »Ist das Leben nicht wunderbar?«, lächelte Sven.
    »Es tut mir Leid, dass deine Mutter nicht gekommen ist«, sagte ich – und bereute es noch im selben Moment, dass ich diesen perfekt harmonischen Augenblick mit einem Wermutstropfen vergiftete.
    Doch Svens Lächeln hielt meiner Bemerkung stand. Sven sah zu Franz hinüber, der sich angeregt mit Jörn unterhielt.
    »Man kann eben nicht alles haben«, sagte Sven. Und gab uns beiden nacheinander einen Kuss auf die Wange.

2000
    N ele saß neben mir auf dem Sofa und lachte – wie immer, wenn ich ihr vom bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann vorlas. Meine Tochter hatte ein herzerfrischendes Lachen, ein hemmungsloses Glucksen, das ansteckend war. Und so musste auch ich kichern, sah mir meine Nele an, die so ziemlich alles von ihrer Mutter geerbt hatte: die natürliche Anmut, die Fröhlichkeit, die Gutmütigkeit und den Humor. Ein zauberhaftes Kind.
    Plötzlich klingelte das Telefon. Ich legte das Räuber Hotzenplotz -Buch zur Seite, erhob mich und ging in den Flur zum Telefon.
    »Hallo«, meldete ich mich.
    »Herr Lehmann? Piet Lehmann?«, fragte eine weibliche Stimme.
    »Genau der«, sagte ich.
    »Mein Name ist Köhlberger, vom Allgemeinen Krankenhaus Wuppertal.«
    »Ja?« Ich war verdutzt.
    »Ich habe Ihre Nummer von Ihren Eltern bekommen. Einer unserer Patienten hatte einen an Ihren Namen, aber die Anschrift Ihrer Eltern adressierten Brief in der Tasche. Wir wissen nicht, an wen wir uns sonst wenden sollen. Wir müssen Ihnen leider einen Todesfall melden.«
    Ich schluckte. War das ein Irrtum? Ich kannte niemanden in Wuppertal. Wo genau lag Wuppertal überhaupt?
    »Herr Lehmann, ich bedauere, Sie von Bernhard Pöllckens Ableben informieren zu müssen!«
    »Bernhard?«, rief ich fassungslos.
    »Es tut mir Leid«, sagte Frau Köhlberger mit sachlicher Stimme.
    »Woran ist er gestorben?«, fragte ich. »Und was machte er in Wuppertal?«
    »Was er hier gemacht hat, weiß ich nicht«, sagte Frau Köhlberger, jetzt schon eine winzige Spur genervt. »Herr Pöllcken starb an einer Vergiftung.«
    Hatte er sich in den Tropen irgendeinen fiesen Virus geholt oder etwas Verhängnisvolles gegessen? War er deshalb zurück nach Deutschland gekommen, um sich von Spezialisten helfen zu lassen? »Was für eine Art von Vergiftung?«, fragte ich.
    »Das weiß ich nicht«, sagte Frau Köhlberger. »Ich sitze hier nur in der Verwaltung. Ich bin keine Medizinerin. Können Sie uns bitte sagen, ob Herr Pöllcken Verwandte hatte und welche Bestattung Sie wünschen?«
    Ich schluckte. Bestattung? Bernhard? So richtig war die Information noch nicht bei mir angekommen.
    »Ich bin morgen bei Ihnen«, sagte ich. »Geben Sie mir bitte Ihre genaue Adresse.«
    Das tat Frau Köhlberger. Ich legte auf, setzte mich zurück zu Nele aufs Sofa und las, während sich meine Tochter an mich kuschelte, mechanisch weiter. Ich nahm keines der Worte auf, die ich rezitierte.
    Mein Gott!
    Bernhard war tot!

    Zwei Stunden später – Nele lag inzwischen im Bett – brach die Erkenntnis endgültig über

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