Die Depressionsfalle
stimmt schon, dass diese Therapieformen zunächst mehr Zeit in Anspruch nehmen und daher kostenaufwendiger erscheinen. Andererseits wurde die Beobachtung gemacht, dass ihre Effekte länger anhalten als die der medikamentösen Therapie. Das beruht wohl darauf, dass die Bearbeitung des Konflikts, der die Depression motiviert, zur Stärkung des Selbstvertrauens und zur Fähigkeit der Selbstregulation führt, während die Medikamente den Affekt, der den Konfliktbegleitet, dämpft, aber den Konflikt selbst nicht angreift. Im Gegensatz zur Behandlung mit Arzneimitteln führt Psychotherapie nicht zu einer bleibenden Modifikation der Hirnfunktion. Daher besteht für die Klienten der Psychiatrie keine Gefahr, dass die Behandlung eventuell überdauernde Veränderungen der Hirnfunktion nach sich zieht, die ökonomisch betrachtet erhebliche Folgekosten nach sich ziehen können.
Leider gibt es aber für die Psychotherapie keine einflussreichen und finanzkräftigen Lobbys und daher fällt es leichter, an die von ihren Lobbyisten verbreitete Heilkraft der massiv beworbenen Psychopharmaka zu glauben. In den meisten Therapierichtlinien gilt allerdings die kombinierte Behandlung der Depression durch Arzneimittel und Psychotherapie als âGoldstandardâ. Unklar ist aber die Gewichtung und Wertigkeit der MaÃnahmen: Wird Psychotherapie als Unterstützung der Pharmakatherapie angesehen, oder wird die Pharmakatherapie als HilfsmaÃnahme für die primäre Psychotherapie angesehen?
In einzelnen Fällen muss wohl der einen oder anderen Behandlungsform aus praktischen Gründen der Vorzug eingeräumt werden. Nicht überall und jederzeit steht ein vielfältiges Angebot zur Verfügung, bei schwerer Depression â melancholischen Zustandsbildern â wird die Schwere der Symptomatik dazu führen, dass der pharmakologischen Behandlung der Vorzug eingeräumt wird.
Grundsätzlich sollte Konsens darüber bestehen, dass die Psychotherapie ein eigenständiger Weg zur Behandlung der Depression ist und dass sie deshalb von Anfang an im Behandlungsplan jedes einzelnen Falles verortet sein muss. Es gibt bisher keine âpsychotherapeutischen Arzneimittelâ, die die Funktion der Psychotherapie übernehmen könnten. Die Sozialversicherungsträger sind sich der Bedeutung der Psychotherapie zu wenig bewusst. Die Anerkennung der Psychotherapie, die auf der Grundlage anerkannter Ausbildungen durchgeführt wird, als gleichberechtigter Methode zur Behandlung psychisch Kranker ist keineswegs ausreichend geregelt und unterliegt groÃen regionalen Schwankungen. Die Kostenübernahme für Psychotherapie wird selbst dort, wo die Psychotherapie anerkannt ist, oftmals sehr restriktiv gehandhabt und unterliegt oftrecht willkürlichen und inkompetenten Entscheidungen über die Brauchbarkeit und Vergütbarkeit bestimmter psychotherapeutischer Methoden.
Wir wollen nicht missverstanden werden. Wenn wir immer wieder die Bedeutung des psychoanalytischen Zugangs hervorheben, wollen wir damit nicht transportieren, dass alle Menschen, die an Verstimmungen leiden, nach der Methode der klassischen Psychoanalyse behandelt werden sollen. Wir haben darauf hingewiesen, dass auch Freud davon ausging, dass neben seiner Psychoanalyse andere Therapiemethoden ihren Platz und ihre Notwendigkeit haben. Wohl aber wollen wir darauf hinweisen, dass die heute zu einem Stehsatz erstarrte Empfehlung, dass die Kombination zwischen Pharmakotherapie, kognitiver Verhaltenstherapie und Psychoedukation die Therapie der Wahl ist, so nicht stehen bleiben sollte. Die kognitive Verhaltenstherapie wird nicht deshalb als die beste Psychotherapie empfohlen, weil sie sich in Vergleichsuntersuchungen als überlegen erwiesen hat, sondern weil sie viel besser zu dem Krankheitsmodell passt, aus dem die biologische Psychiatrie ihre Identität bezieht. Die Auffassung der biologischen Psychiatrie, dass die Depression den somatischen Zustand der betroffenen Person verrät, also eine âKrankheitâ ist, die man auf gestörte Abläufe im Hirnstoffwechsel zurückführen kann und deren Symptome man medikamentös behandeln kann, bedarf der Unterstützung durch ein psychotherapeutisches Verständnis, das in ähnlicher Weise die psychischen Reaktionen als Symptome erkennt, die nach einem Plan beseitigt werden müssen und können. Das tiefenpsychologische Verständnis hingegen beruht auf
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