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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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– und wohl auch noch immer einsetzen, um ihren Umsatz zu steigern. Der Einbruch des Vertrauens gegenüber der Industrie hat auch eine Vertrauenskrise gegenüber der klinischen Forschung, der Psychiatrie und der wissenschaftlichen Literaturproduktion nach sich gezogen.
Falle 7: Internet – Vom Nutzen und der Nutzung des Mediums
    Die Weltgesundheitsbehörde hat der Funktion des Internets für das Empowerment der Patienten große Bedeutung zugeordnet. Obwohl tendenziell diese Auffassung natürlich richtig ist und die virtuelle Kommunikation große Möglichkeiten für Information und Erfahrungsaustausch birgt, muss man sich dennoch auch der Verzerrungsmöglichkeiten bewusst sein, denen das Medium nun einmal unterliegt. Auf der einen Seite platziert die Pharmaindustrie ihr angenehme Aussagen in den Chaträumen oder sie postet anonymihr genehme Stellungnahmen, auf der anderen Seite speisen Sekten wie Scientology unter verschiedenen Decknamen ihre allgemeine und ideologische Psychiatriekritik ein. Ein weiteres Problem ist die Verweildauer der Informationen im Netz. Es ist oft schwer abzuschätzen, ob die Information aktuell ist oder einem bereits überholten Standpunkt entspricht. Selbst für Fachleute ist es oft schwierig, an sachliche und vertrauenswürdige Information heranzukommen.
Die Problemantik der Diagnosehäufigkeit
    Im richtigen Verständnis der epidemiologischen Daten geht es darum abzuklären, ob es sich um eine reale Zunahme an depressiven Verstimmungen leidender Menschen handelt, oder ob die Zahl der Leidenden relativ stabil bleibt und die beobachtete Zunahme der Häufigkeit der Depression darauf beruht, dass eine nivellierende Diagnostik betrieben wird, die die Schweregrade der Erkrankung verwischt, und dass diagnostische Einheiten, die früher eine differentielle Zuordnung ermöglichten, abgeschafft wurden. Die grundsätzliche Frage lautet: Hat wirklich die Häufigkeit der klinischen schweren Depression zugenommen, oder beruhen die Annahmen bezüglich der Zunahme depressiver Erkrankungen auf der diagnostischen Unschärfe, die derzeit zu beklagen ist und auf dem Umstand, dass „die Neurose in der Depression verschwindet“ 80 . Auch gilt es abzuklären, welchen Anteil die Ausbreitung der „kosmetischen“ und „präventiven“ Behandlung als depressiv bezeichneter Zustandsbilder an der erwarteten Verbreitung der Depression hat. Wir sind in der Situation, dass die Zunahme der Häufigkeit der Diagnose Depression, die die Reaktionsweisen und Empfindungen dann ins Reich der Krankheiten verweist, einerseits darauf zurückzuführen ist, dass aufgrund biologischer Spekulationen verschiedenartige Erlebnismodi und Reaktionen als „abnormal“ erlebt und etikettiert werden, und andererseits selbst dort, wo noch keine eindeutigen Anzeichen einer depressiven Erkrankung zu erkennen sind, aufgrund des Begehrens nach Stimmungsverbesserung und nach einer Verbesserung der sozialen Kompetenz noch „normale“ Reaktionsmuster einer Krankschreibung verfallen. Dass sich die psychiatrische Profession dieserTendenz wohl bewusst ist und dass nicht alle Psychiater sie begrüßen, ist der Debatte zu entnehmen, die um das neue amerikanische Klassifikationssystem DSM 5 entstanden ist. Viele Psychiater äußerten z.B. ihre Besorgnis darüber, dass in diesem neuen Ordnungssystem „normale Trauer“ zur depressiven Erkrankung umgeschrieben worden sei.
    Mit diesen Fragestellungen muss man sich beschäftigen. In ihrer gesellschaftspolitischen Dimension reicht ihre Bedeutung weit über professionelle Auseinandersetzungen hinaus. Wir glauben, dass über die Implikationen der dystopischen Phantasie der Epidemiologen und der Technologen der Diagnostik und Therapie nicht ausreichend nachgedacht wird. Was bedeutet es, dass gleichzeitig Depressionen als Hirnkrankheiten bezeichnet werden und man annimmt, dass ein zunehmender Anteil der Bevölkerung weltweit unter dem Stigma einer Hirnkrankheit leben wird?
Auswege
    Es wird nicht leicht sein, sich aus dieser „Fallenlandschaft“ zu befreien. Gemeinsame Anstrengungen sind erforderlich.
Für eine Revision des psychodynamischen Denkens
    Um der Falle der Unglaubwürdigkeit zu entrinnen, müsste die Psychiatrie sich wohl genau in die gegenläufige Richtung als jene bewegen, die derzeit durch die Neufassung des DSM vorgegeben wird. Die wundersame Vermehrung von

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