Die Depressionsfalle
menschlichen Bewusstsein zu. Das Theater des Absurden,das ebenfalls auf innovative Weise die angsterregende, absurde Situation des Menschen zur Darstellung brachte, eroberte die Bühnen. In besonders bemerkenswerter Weise spiegelte der Film der 50er und frühen 60er Jahre die diffusen Ãngste angesichts der Massenvernichtungswaffen und des Kalten Krieges wider. Diese Thematik wurde in verschiedenen Genres aktualisiert, im Autorenkino ebenso wie im Horror- und im Science-Fiction-Film. Bedeutsame künstlerische Filme, die sich der Darstellung dieser Ãngste widmeten, stammten von Akria Kurosawa, Alain Resnais, René Clément, Michelangelo Antonioni und Federico Fellini. Der Film
Ein Leben in Furcht
, den 1955 Akira Kurosawa auf die Leinwand brachte, ist bis heute ein Höhepunkt der Darstellung der Angst vor atomarer Vernichtung. Im Horror und Science Fiction-Kino spiegeln Aliens und Mutationen der Menschen diese Ãngste wider. Bedeutsam ist ein Film wie
Die Invasion der Körperfresser
(1956), in dem immer mehr brave US-Bürger sich plötzlich in emotionslose, gleichgeschaltete Wesen verwandeln; Interpreten lesen diese Story als Gleichnis der diffusen Angst vor einer schleichenden Unterwanderung durch den Kommunismus. Auch im Science-Fiction-Film wurde die Atomfurcht ebenso wie die Angst vor enthemmter Wissenschaft, die zu monströsen Mutationen führt, thematisiert. In derartigen Filmproduktionen werden durch atomare oder wissenschaftliche Beeinflussung aus friedlichen Geschöpfen fürchterliche Kreaturen, wie in
Formicula
(1954),
Godzilla
(1954) oder
Tarantula
(1955). In diesem Sinn ist auch die äuÃerst reichhaltige Produktion von Filmen zu verstehen, die sich in die Traditionen des Vampirmotivs und der Frankenstein-Mythologie einklinkten.
Angst war also âzeitgeistigâ, und es war kein Wunder, dass die Menschen sich auf traditionelle Weise der Mittel bedienten, die dafür bekannt waren, Ãngste und Spannungen reduzieren zu können. Der Alkohol- und Tabakkonsum zeigte in dieser Zeit in vielen Ländern steigende Tendenz, und man begann, nach neuen Stoffen zu suchen, die die alten Genuss- und Rauschmittel ablösen konnten. Angst war auch ein häufiges Thema in der psychiatrischen und psychotherapeutischen Sprechstunde. Angstkrankheiten, neurotische Angst, etc. wurden bald zu häufig gestellten Diagnosen. Zustandsbilder, die damals als âängstlichâ bezeichnet wurden, würde manheute in groÃem Umfang dem Spektrum depressiver Erkrankungen zurechnen.
In dieser gesellschaftlichen Grundsituation entwickelte sich die Suche nach Arzneimitteln, die geeignet schienen, ängstliche Verstimmungen â und damit im heutigen Verständnis depressive Zustandsbilder â zu behandeln.
Tranquilizer und Benzodiazepine
Meprobamat
Nachdem die Barbiturate in Misskredit geraten und strengen Verschreibungsregeln unterworfen worden waren, suchten Psychiater und die Arzneimittelindustrie gemeinsam nach Stoffen, die vergleichbar einsetzbar waren, etwa als dämpfende, angstlösende Mittel gegen Depressionen, zugleich aber ein geringeres Risiko hinsichtlich Abhängigkeit und Ãberdosierung darstellten. Die erste Substanz, die 1951 aus diesem Forschungsinteresse heraus entstanden war, war das Meprobamat, das ab 1955 von der Arzneimittelfirma Wallace Laboratories als Miltown vermarktet wurde und später von Wyeth, das die Lizenz erworben hatte, unter dem Namen Equanil auf den Markt gebracht wurde. Wallace Labs. vermarktete die Substanz unter dem neuen Wirkungsbegriff Tranquilizer. 1956 versprach der Werbetext für Miltown, dass die Substanz gegen Angst, Spannung und geistigen Stress wirksam sei.
Meprobamat war der erste Kassenschlager unter den psychiatrischen Arzneimitteln. Es wurde von Patienten gerne eingenommen und von klinischen Forschern günstig beurteilt. Leo Hollister, einer der bedeutendsten Pharmakologen dieser Epoche, forschte über die Wirkung der Substanz sowohl in einer Placebo-kontrollierten Studie wie auch in einer offenen, unkontrollierten Studie an 191 Patienten, die langfristig in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgenommen worden waren. Er konnte herausfinden, dass in der offenen Studie je 74 Prozent der Patienten, die an einer Gemütserkrankung oder einer Angststörung litten, und 40 Prozent der Patienten, bei denen eine leichte Verlaufsform einer Schizophrenie diagnostiziert worden war,deutliche Verbesserung ihres
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