Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
Vom Netzwerk:
Lehrbuch der Psychiatrie, in der Auflage aus 1966, wird Librium als dem Imipramin überlegenes Mittel zur ambulanten Behandlung Depressiver bezeichnet, wenn „Entspannung und Beruhigung“ gesucht wird; allerdings auch mit dem Vermerk, dass es bei schweren Depressionen nicht wirksam sei. Noch 1995 wurde eineniederländische Literaturübersicht erstellt, in der die Autoren zum Schluss gelangten, dass die klassischen Benzodiazepine bei leichten Depression wirksam, für die Behandlung der melancholischen Depression aber neueren Antidepressiva unterlegen seien. Nichtsdestotrotz arbeitete noch in dieser Zeit die Pharmaindustrie an der Entwicklung weiterer Benzodiazepin-Derivate, die auch für diesen Anwendungsbereich geeignet sein sollten. 53
    Die Benzodiazepine gehörten demnach in ihrer Blüteperiode durchaus zum Arsenal der Arzneimittel, die psychiatrisch gegen bestimmte Formen der Depression eingesetzt wurden. Weltweit wurde allerdings Valium vor allem von praktischen Ärzten, Ärzten für Allgemeinmedizin, Hausärzten und Frauenärzten als Antidepressivum eingesetzt. Als Begründung dieses Verhaltens wurde meist darauf hingewiesen, dass die Benzodiazepine von den Patienten lieber eingenommen würden als Antidepressiva, weil sie eine angenehme Wirkung ausüben, die außerdem rasch eintritt und bei entsprechender Dosierung kaum von merklichen Nebenwirkungen beeinträchtigt wird.
    1996 wurden von der WHO Richtlinien zum rationalen Einsatz der Substanzen erlassen. In einer umfassenden Übersicht über die Anwendung der Benzodiazepine bei Angststörungen haben Uhlenhuth, Balter, Ban und Yang 1998 noch einmal den therapeutischen Stellenwert der Stoffe bestimmt. 54 Dementsprechend arbeitete noch in dieser Zeit die Pharmaindustrie an der Entwicklung weiterer Benzodiazepin-Derivate, die auch für diesen Anwendungsbereich geeignet sein sollten.
Der Niedergang der Benzodiazepine
    Besonderer therapeutischer Stellenwert wurde der Kombination von Benzodiazepinen mit einem neuen Typ von Arzneimitteln zugeordnet, die spezifischer auf die Behandlung depressiver Zustandsbilder aller Ausprägungen ausgerichtet waren: den trizyklischen Antidepressiva und den MAO-Hemmern, mit denen wir uns später noch ausführlich beschäftigen werden. Derartige Therapieempfehlungen sind auch heute noch gültig, wie einem Überblicksartikel von ArunV. Ravindran und Lakshmi N. Ravindran aus dem Jahr 2009 zu entnehmen ist. In ihm werden die alten Argumente auf ein neues Niveau gebracht. Zum einen wird erneut festgestellt, dass die Substanzen bei milden Ausprägungen der Depression wirksam sein können und nicht für die Behandlung schwerer, „melancholischer“ Zustandsbilder geeignet sind, zum anderen wird ihr Wert für kombinierte Behandlungen bestimmter Formen der Depression hervorgehoben: „Wenn man sie als Unterstützung zur Antidepressivabehandlung bei Depressionen mit komorbider Angst einsetzt, könne Benzodiazepine einige Vorzüge aufweisen. Sie können das Auftreten von einer Verstärkung von Agitiertheit und Angst, die in der Frühphase der Behandlung mit Antidepressiva eintreten kann, abschwächen und dadurch die Bereitschaft zur Einnahme erhöhen und sie können auch eine raschere Abschwächung sowohl der depressiven als auch der ängstlichen Symptome erreichen als Antidepressiva allein.“ Dieser Aufsatz von Ravindran und Ravindran ist ein Referenztext für die populäre Online-Fortbildungs-Website
Psychiatric Times
. Insofern kommt ihm einige Bedeutung zu. 55
Die Epoche der klassischen Antidepressiva
    Wir haben schon am Anfang dieses Kapitels darauf hingewiesen, dass in der Entwicklung der modernen psychiatrischen Heilmittel der Zufall eine ungewöhnlich große Rolle spielt. Die Historie der Entwicklung der Psychopharmaka ist eine Geschichte ungeplanter, zufälliger Entdeckungen. Zum ersten Mal trat diese Macht des Zufalls in der Psychopharmakologie in Erscheinung, als 1943 der Schweizer Pharmakologe Albert Hofmann in den Laboratorien der Firma Sandoz, wo er über das Mutterkorn forschte, um Arzneimittel für die Geburtshilfe zu entwickeln, die psychoaktiven Eigenschaften des LSD 25 entdeckte.
    Später wurde in der Entdeckung der spezifischen antipsychotischen und antidepressiven Arzneimittel diese Zufälligkeit zur Regel. Zunächst machte der französische Chemiker Paul Charpentier, der 1950/51 mit der Entwicklung

Weitere Kostenlose Bücher