Die Depressionsfalle
verschiedenen Zielsetzungen. Sie wollten ein Stimmungshoch erleben, wollten gesprächiger werden und sich kommunikativer erleben, oder sie wollten ihre Konzentration und Leistungsfähigkeit steigern. In letztem Sinn war ihre Einnahme eine Selbstmanagement- und Durchhaltestrategie,die etwa Kleinunternehmer, Taxifahrer, Lastwagenfahrer, Prostituierte und FlieÃbandautoren in aller Welt verfolgten. Amphetamine schienen sich als Substanzen zu eignen, die eingenommen werden konnten, um sich âbesser als gutâ zu fühlen. Die Folklore der Amphetamine versprach all das. Diesen populären positiven Erwartungen standen allerdings negative Erfahrungen entgegen. AuÃermedizinisch und unkontrolliert gebraucht, waren die Amphetamine keineswegs harmlose Substanzen. Wie früher dem Kokain konnten ihnen die Konsumenten in abhängiger Weise verfallen, sie konnten zur Ãbererregtheit, Schlaflosigkeit, Auszehrung und Erschöpfung führen, das Herz-Kreislauf-System schädigen, Bluthochdruck, Herzrasen, Unruhe und Angstzustände, Schlaf- und Appetitlosigkeit sowie Harnverhaltung auslösen. Bei Dauerkonsum in hoher Dosierung konnte man Nervenschädigungen, Osteoporose, Zahnschmelzverlust wegen Kalziummangels und schwere Konzentrationsstörungen als Folgeerkrankungen beobachten. Auch direkt substanzbedingte Geisteskrankheiten konnten ausgelöst werden.
SchlieÃlich konnte man wahre Epidemien des Gebrauchs beobachten, die die Sozialmedizin und das öffentliche Gesundheitswesen alarmierten. In Schweden und in Japan war in den 50er Jahren eine besondere Zunahme des auÃermedizinischen Gebrauchs zu beobachten. Diese Länder drängten darauf, dass die Amphetamine unter internationale Kontrolle gebracht wurden. Die Weltgesundheitsbehörde beobachtete die Entwicklung ab 1952. Zunächst äuÃerte diese Behörde ihre Besorgnis, dass Amphetamine von Opiatabhängigen gebraucht würden, um Versorgungsengpässe zu überbrücken, 1956 widmete sie dem Amphetaminproblem in Japan breiten Raum. 1964 definierte die WHO schlieÃlich die Abhängigkeit vom Amphetamintyp als eigenständige Form der Drogenabhängigkeit. In die Bewertung durch die WHO ging auch ein, dass die Experten, die dieser Behörde zur Verfügung standen, meinten, dass die Amphetamine nur geringe Wirkung hätten, wohl aber ein hohes Risikopotential.
Das Speed-Problem
Auch in den USA stieg zu dieser Zeit die Zahl der Missbrauchsfälle von Amphetaminen rapide an. 1959 gab es erste Berichte in den USA über Konsumenten, die sich den Inhalt des Benzedrine-Asthma-Inhalators injizierten. Um weiteren Missbrauch zu verhindern, wurden die Inhalatoren, mit denen das möglich war, verboten. Fünf Jahre später wurde auch der erst 1960 auf den Markt gebrachte Methamphetamin-Inhalator vom Markt genommen. Zur gleichen Zeit wurden erste Fälle von illegal produziertem Amphetamin bekannt. 1970 wurde in Amerika Handel, Besitz und Herstellung von Amphetamin ohne Genehmigung strafbar. Für den medizinischen Gebrauch blieb die Substanz aber verschreibungsfähig. Auch in Deutschland war Amphetamin bis in die späten 1970er Jahre per Rezept vom Arzt zu bekommen. Seit 1981 allerdings wird Amphetamin im erneuerten deutschen Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in Anlage III als verkehrsfähiges und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel aufgeführt. Damit sind Handel, Besitz und Herstellung der Substanz nur mit Genehmigung erlaubt. Mediziner dürfen es weiter an Patienten verschreiben. Unter internationale Kontrolle gebracht wurden die Amphetamine durch die Konvention über psychotrope Stoffe, die 1971 in Wien beschlossen wurde.
All das konnte allerdings nicht verhindern, dass der auÃermedizinische Gebrauch weiter zunahm. Die Amphetamine wurden zu Leitdrogen der Jugendkulturen, die sich seit den späten 60er Jahren in kontinuierlicher Folge entwickelten und spielten in bohemistischen Gruppierungen wie der New Yorker Factory des Pop-Art-Künstlers Andy Warhol eine groÃe Rolle. Sie sind die Substanzen, die neben den Hanfdrogen die Veränderungen, denen die populärkulturellen Gruppierungen unterliegen, überdauern und in allen diesen sozialen Verbänden regelmäÃig konsumiert werden. Dadurch ist die illegale Produktion und Verteilung der Stoffe zu einem gigantischen Geschäft geworden. In der Drogenszene ist Amphetamin (Speed, Pep) immer noch weit verbreitet, verliert aber an
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