Die Depressionsfalle
Nebenwirkungen haben und vor allem nicht eine Abhängigkeit hervorrufen wie andere Psychopharmaka. Natürlich wird empfohlen, sie kontinuierlicheinzunehmen, aber eben weil der Organismus sie benötigt. Auch Insulin oder ein Schilddrüsenhormon soll man ja nicht absetzen, weil sonst die Zuckerkrankheit oder die Schilddrüsenerkrankung wieder entgleist. Man spricht aber trotzdem nicht von âInsulinabhängigkeitâ oder âThyroxinabhängigkeitâ. Die Notwendigkeit des andauernden Gebrauchs der Antidepressiva kann gut damit begründet werden, dass man die Depression als Dysregulation des Gehirns und die SSRIs als Substanzen bezeichnet, die den Gehirnstoffwechsel auf eine vergleichbare Weise ânormalisierenâ wie das Insulin den Zuckerstoffwechsel. Daher ist es möglich, die unerfreulichen Zustände, die beim Absetzen von SSRI auftreten, âAbsetzerscheinungenâ zu nennen und den negativ besetzten Begriff âEntzugserscheinungenâ zu vermeiden. Diesen Begriff reserviert man für die Absetzerscheinungen, die nach dem Gebrauch von Benzodiazepinen oder Opiaten auftreten. Im Tierversuch gibt es auÃerdem eine Unterscheidung, die die differente Bezeichnung begründet: Tiere, denen man freien Zugang zu psychoaktiven Substanzen gibt, suchen die SSRI nicht in vergleichsweise aktiver Weise wie Opiate oder Benzodiazepine und gebrauchen sie nicht in steigender Dosis.
Und in der Tat: Bis jetzt sind keine Fälle von SSRI-Gebrauchern bekannt, bei denen die üblichen sozialen Charakteristika einer Drogensucht bestehen. Sie werden nicht kriminell und leben kein auffällig desolates Leben. SSRI-Konsumenten haben es andererseits nicht notwendig, ihre Substanzen auf krummen Wegen zu bekommen. Daher ist das Leben in einer sozialen Normalität kein relevanter Indikator dafür, dass die Konsumenten nicht von den Wirkungen der Substanzen abhängig werden. Es gibt Experten, die den Standpunkt vertreten, dass die Abhängigkeit von SSRI verbreiteter ist und schwerwiegendere Folgen nach sich zieht als die Abhängigkeit von Benzodiazepinen, die allgemein als groÃes Problem gilt. Viele Menschen kommen nur unter groÃen Schwierigkeiten von den Substanzen los.
Auch die Weltgesundheitsbehörde vertritt den Standpunkt, dass die Bezeichnung âAbsetzsyndromâ eine Art Etikettenschwindel ist, der darauf abzielt, das Problem der Abhängigkeit von SSRIs zu verschleiern. Die Behörde entwickelte diese Auffassung aufgrund ihrzur Verfügung gestellter Daten. 2002 hatte sie einen Bericht erstellt, wonach sich unter den 30 Produkten, die jemals wegen eines sehr hohen Abhängigkeitspotentials an die Ãberwachungsstelle in Uppsala gemeldet worden waren, drei SSRIs befanden: Fluoxetin, Paroxetin und Sertralin.
Das SSRI/SNRI-Absetzsyndrom
Ein SSRI-Absetzsyndrom (engl. SSRI discontinuation syndrome), das auch für die SNRI gilt, tritt während oder nach dem Absetzen bzw. bei Dosisverringerung von Antidepressiva auf. Auch das Verabsäumen einer Dosis kann das Syndrom auslösen. Die Diagnose kann dann gestellt werden, wenn zwei oder mehr der folgenden Symptome innerhalb der ersten Woche nach dem Absetzen oder der Dosisverringerung der Substanz auftreten, nachdem diese mindestens ein Monat lang eingenommen worden ist: Verwirrtheit, Benommenheit, Schwindel oder Schwindelgefühl, schockartige Sensationen oder Taubheitsgefühle, Angst, Durchfall, Müdigkeit, Gangstörungen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Ãbelkeit oder Erbrechen, Zittern und Sehstörungen. Diese Symptome müssen merkliche klinische Auswirkungen haben, die sich im sozialen Umfeld bemerkbar machen und das normale berufliche oder soziale Funktionsniveau beeinträchtigen. Sie dürfen nicht auf eine andere medizinische oder psychiatrische Ursache bzw. auf andere Medikamente oder Drogenkonsum zurückgeführt werden und dürfen nicht den Symptomen entsprechen, gegen die die Behandlung mit SSRI begonnen worden ist, und sie müssen abklingen, wenn man das gleiche Arzneimittel oder eines, das pharmakologisch vergleichbar ist, verabreicht.
Das Auftreten des Syndroms kann meistens durch Ausschleichen der Substanz verhindert werden. Es ist daher auf jeden Fall zu empfehlen, eine Behandlung mit Antidepressiva nicht abrupt zu beenden, sondern über einen Zeitraum von mehreren Wochen bis Monaten auszuschleichen. Es wurden jedoch auch Fälle beobachtet, in denen die
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