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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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Serotonin-Kreislauf als Ursache der Veränderung in der Erfahrung und Ausdrucksbereitschaft der Patientin angenommen werden sollte. Berichte über drogeninduzierte Veränderung der Erfahrung der Persönlichkeit gibt es nicht erst seit der Epoche der SSRI. Die Erfahrung scheint auch nicht an eine spezifische Substanzgruppe und daher an eine isolierte Wirkung im Gehirnstoffwechsel gebunden zu sein. Der berühmte Jazzmusiker Art Pepper z.B. beschrieb in seiner Autobiographie
Straight Life
, wie die erste Dosis Heroin zu einem nahezu magischen Wandel der Erfahrung seiner Persönlichkeit geführt hatte; er habe sich erstmals in sich geborgen gefühlt, habe sich akzeptieren können, habe innere Ruhe gefunden – und erkannt, dass er von dieser Wirkung zeit seines Lebens abhängig sein werde. Offenkundig können Substanzen mit verschiedenartigem Wirkmechanismus sehr ähnliche Effekte bewirken.
    Im Fall von Barondes scheint der Effekt weitgehend davon bedingt, dass Prozac den emotionellen Respons grundsätzlich einschränkt und davon eben auch die Zwangsvorstellung von der deformierten Nase betroffen war. Insgesamt empfand die Patientin den Substanzeffekt alles andere als angenehm. Sie litt darunter, dass sie allgemein weniger leidenschaftlich empfinden und argumentieren konnte und dass ihre sexuelle Empfindungsfähigkeit wesentlich eingeschränkt war. Dennoch konnte sie nie völlig aufhören, die Substanz zu sich zu nehmen, weil dann sofort die Zwangsvorstellung wieder quälend ins Bewusstsein trat. Sie war deshalb zwar einerseits zufrieden mit der Behandlung, äußerte aber dennoch die Hoffnung, dass es einmal etwas Besseres als Prozac für sie geben werde.
Die dunkle Seite chemisch bedingten Persönlichkeitswandels
    In der populären Mythologie wird den psychoaktiven Substanzen nicht nur heilsame und förderliche Wirkung zuerkannt, sie werden auch negativ dämonisiert – verteufelt. Wir haben es vorhin schon gesagt: Drogen werden als Teufelszeug dargestellt, sie bringen diedunklen, dämonischen Aspekte des Seelenlebens ans Tageslicht, sie werden für Verbrechen benutzt, für Vergewaltigungen, sie befähigen zum Mord und sie treiben in Wahnsinn und Selbstmord.
    Die Fähigkeit, aggressives Verhalten zu verstärken und Mitleid und Gewissen auszuschalten, wird vielen psychoaktiven Stoffen zugeschrieben: „das Über-Ich ist alkohollöslich“ lautete ein running gag über die Wirkung der Lieblingsdroge unseres kulturellen Raums. Den meisten Drogen, die im Freizeitbereich und illegal konsumiert werden, wird nachgesagt, dass sie die Bereitschaft zum aggressiven und kriminellen Handeln fördern. Das Konsumverbot wird unter anderem auch an diesen Eigenschaften festgemacht. Kampagnen, die das Verbot anpeilen, bedienen sich dieser Vorwürfe: Haschisch war die Droge der Assassinen und beflügelte diese Mördersekte bei ihren mörderischen Raubzügen, später wurde in den USA das Marihuana-Verbot mit Propagandafilmen wie
Reefer Madness
und
Marihuana, Weed with Roots in Hell
begründet, in denen Jugendliche durch den Drogeneffekt auf die schiefe Bahn geraten, morden und Selbstmord begehen. Kokain galt als Droge, die in besonderer Weise fähig ist, Aggressionen gegen andere und die eigene Person zu stimulieren, das gleiche wurde gegen Angel Dust und Ketamin geltend gemacht. Dem Heroin wurde in den Kampagnen, die in den USA zu seinem Verbot führten, nachgesagt, dass es „den Herdentrieb zerstört und zivilisierte Menschen zu unmoralischen Wilden umwandelt“. So wie es im Fantasiebereich die überwiegend „gute“ utopische Droge „Soma“ gibt, gibt es auch die Fantasie von den bösen Drogen, die, wie in der berühmten Erzählung
Dr. Jekyll und Mr. Hyde
, den Menschen in eine gefährliche Kreatur verwandeln. Die chemisch induzierte Verwandlung zum Monstrum ist ein gebräuchliches Genre des Horrorfilms.
    Die SSRI sind von dieser Bereitschaft, psychoaktive Stoffe zu dämonisieren, nicht verschont geblieben. Ein heiß umkämpftes Thema ist heute, ob diese Arzneimittel neben den erwünschten positiven Auswirkungen auf die Persönlichkeit auch eine Schattenseite haben und imstande sind, das Bewusstsein und die Persönlichkeit bestimmter Gebraucher negativ zu beeinflussen und Aggressionshandlungen, Selbstmordgedanken und Selbstmorde zu stimulieren. Im Kapitel über die pharmazeutische

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