Die deutsche Seele
Geist des Kapitalismus. Wie immer man es auch interpretieren mag, am Ende steht fest: Es gibt das freie Kräftespiel der Marktwirtschaft nicht. Zumindest ist es nicht frei. Kann es gar nicht sein, weil seine Antriebskräfte Interessen sind oder zumindest Interessen folgen. Wer die Ökonomie ihrer Selbstregulierung überlässt, der bringt sich bald um die Früchte seiner Arbeit.
Es geht nicht um die Rechtfertigung des Kapitalismus, sondern um seine Begründung. Diese aber kann sich nur auf die Wertschöpfung beziehen. Wer etwas herstellt, muss darin auch einen Sinn sehen. Dieser Sinn besteht einerseits in der Freude am Produkt, andererseits aber auch in seinem Wert und dessen gesellschaftlichen Zuschreibungen. Dazu gehören im rheinischen Kapitalismus Sozialversicherung, Steuerprogression und gesellschaftliche Solidarität. Dass damit en passant auch Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit überflüssig gemacht werden sollen, die Parolen der (Französischen) Revolution, ist sicherlich Teil des Projekts. Es ist ein konservatives Projekt, was nur ungern gesagt wird. Ebenso ungern wird aber auch zugegeben, dass die sich entfaltenden Kräfte des Kapitals nicht gezähmt, sondern nur in Rahmenbedingungen gebracht werden können.
Der Rest ist Ethos. Selbstverpflichtung und Selbstverantwortung.
Der Erfolg der Marktwirtschaft ergibt sich nicht aus der Freiheit allein, sondern auch aus dem ständigen Kräftemessen und dem fortgesetzten Versuch, den Markt zu kontrollieren, sei es staatlich, per Gesetzgebung, oder öffentlich, via Stimmungslage und Moralvorstellung.
Wenn die öffentliche Moral, die den wichtigsten Machtfaktor der offenen Gesellschaft darstellt, ein Produkt ablehnt, kann man es kaum gegen ihren Willen durchsetzen, wie das Beispiel Atomstrom am Beginn des 21. Jahrhunderts zeigt.
Bleibt natürlich die Frage, was auf welche Weise mehrheitsfähig wird und wer die öffentliche Meinung dahingehend bestimmt. Ist es tatsächlich die Mehrheit, wie man es für eine funktionierende Demokratie wie die unsrige meinen sollte, oder doch eine raffiniert agierende Minderheit mit geschickt in den Medien platzierter ideologischer Leitlinie?
Da aber die Realität und das wahre Leben nur selten sortieren und trennen, haben wir es meist mit einer Gemengelage zu tun. Man beschließt ein Rauchverbot, und anschließend steht die Hälfte der Bevölkerung auf der Straße, nur um zu rauchen.
Auch darauf geht der Markt ein. Die Wirtschaft orientiert sich nicht nur am Ethos, sondern auch an der Heuchelei. Das ist ein zunehmend beobachtetes Problem im heutigen Deutschland. Die Wirtschaft ist, zumindest in Teilen, nicht nur durch Bio und alternative Energiegewinnung moralisiert, die Wirtschaft selbst wird moralisierend. Das Marketing wird weltanschaulich.
Der Korporatismus lässt sich pragmatisch begründen - mit den erzielten Ergebnissen -, aber auch ideologisch. Das geschah im 20. Jahrhundert in Deutschland gleich zweimal, im »Dritten Reich« und in der DDR. In beiden Fällen versuchte man, das Instrumentarium des sozialen Friedens zur Repression einzusetzen, was in beiden Fällen letztendlich gescheitert ist.
Der Korporatismus ordnet nicht die Macht zu, er regelt vielmehr die Teilhabe. Dadurch aber ist er ein Instrument der Demokratie, so seltsam das auch erscheinen mag, und nicht der Diktatur, wie man allzu oft meint.
Nationalsozialismus und Kommunismus haben sich erledigt, die Fuggerei gibt es immer noch. Die Lehre daraus? Man kann den Sozialstaat nur ethisch begründen. Wer ihn ideologisch vereinnahmt, nimmt ihm die Glaubwürdigkeit.
>Arbeitswut, Feierabend, Gründerzeit, Ordnungsliebe
Spargelzeit
Auch im Winter gibt es ihn mittlerweile in den Gemüseauslagen unserer heimischen Supermärkte. Dann ist er zum exakten Pfund gebündelt, in Plastik verschweißt und kommt aus Griechenland oder Chile. Eines Winters griff meine Hand nach einem dieser leicht beschlagenen Päckchen, von denen sich schwer sagen lässt, ob ihr Inhalt friert oder schwitzt. Draußen lag seit Wochen Schnee, die Sehnsucht nach einem Spargelessen war gar zu groß geworden. Kartöffeichen mit Petersilie anbraten, Schinken rollen, Butter klären oder Sauce Hollandaise schaumig schlagen … Und meine Hand stellte das frierend schwitzende Bündel wieder zurück. Nicht weil mich geschreckt hätte, dass dieser Klasse-I-Weltreisende meine CO2-Bilanz auf Monate hin trüben würde. Ich stellte ihn zurück, weil ich wusste, dass es eine Enttäuschung werden
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