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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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GmbH durchaus durch einen VEB ersetzen, aber es wird eine vorübergehende Maßnahme sein. Der Strandkorb erweist sich, jenseits der Ideologien, als Kronzeuge des Volkscharakters. Billy Wilder, der Emigrant, hat ihn in seinem Bilderkopf nach Kalifornien mitgenommen und viele Jahre später, als die großen Kriege, die jedes Gespräch über den Strandkorb von vornherein unmöglich machen, längst beendet sind, stillschweigend am Film-Set aufgebaut. In Wilders Strandkorb sitzt Tony Curtis und macht der Marylin Monroe, zum Entsetzen Jack Lemmons, gerade weis, dass er eine Yacht besitze. Es sind die fünfziger Jahre, und alles, was gesagt wird, hat einen Hintersinn.
    Seither gehört der Strandkorb, so könnte man meinen, nicht mehr den Deutschen allein, sondern der ganzen Welt. Und doch ist er nur an Ost- und Nordsee auszumachen und ansonsten, mit etwas Glück, in einem Retro-Kino in Ihrer Nähe zu besichtigen. Der Rest der Welt bevorzugt den windigen Sonnenschirm.
    Trotzdem setzte sich die Kanzlerin Angela Merkel beim G8-Gipfeltreffen 2007 in Heiligendamm mit den Staatsgästen in einen gemeinsamen Strandkorb. Es war eine Sonderanfertigung für die Politik, und es ist auch ein Beispiel für den Umgang der Politik mit der Realität. Die Politiker setzen sich zum Phototermin in einen Strandkorb, den es so nicht gibt, und wollen damit auch noch den Eindruck vermitteln, dass sie, wie alle anderen auch, in einem Strandkorb sitzen. Es ist, wie fast alles Politische neuerdings, eine Zweckentfremdung. Diesmal des Strandkorbs. Deutsches Fazit: Die Mächtigen kommen und gehen, der Strandkorb bleibt.
     
    >Gemütlichkeit, Ordnungsliebe, Schrebergarten

Das Unheimliche
     
    In der Nacht vom 19. auf den 20. November 1919 konnte Dr. F. nicht schlafen. Wie jeden Mittwochabend hatte er mit seinem Geheimen Komitee zusammengesessen. Die Luft in seinem Arbeitszimmer war schwer von den unzähligen Zigarren, die sie nebenan geraucht hatten. Er hätte die Türen schließen sollen. Oder besser noch: Er sollte aufhören damit. Aber was blieb ihm dann. Schon das halbe Glas Marsala, das er sich gegönnt hatte, war zu viel gewesen. Also noch eine Zigarre.
    Mit dem Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand - die linke war seine bevorzugte Rauchhand - strich Dr. F. der kleinen Sphinx, die auf der Vitrine mit den anderen Antiken thronte, übers Haupt. Nicht über die Brüste, das hatte er nur einmal gewagt. Saxa loquuntur. Die Steine sprechen.
    Es war kein guter Abend gewesen. Er hatte sich mit Abraham und Sachs gestritten. Die beiden hatten von diesem neuen Film geschwärmt, Das Cabinet des Dr. Caligari, hatten allen Ernstes versucht, ihn zu überreden, gleichfalls ins Kino zu gehen, aber er hatte genug darüber gelesen, um zu wissen, dass er sich auch diesen Film nicht anschauen würde. Der diabolische Nervenarzt, der somnambule Mörder, ich bitt’ euch! Ohnehin ein völlig überschätztes Medium. Was bildeten sich diese Filmkünstler ein - die Geheimnisse der Seele zum Leuchten zu bringen? Nebbich. Da schaute er sich lieber noch die neue Oper von Richard Strauss an. Die Frau ohne Schatten. Dr. F. musste lächeln.
    Obwohl er schon den ganzen Abend Kaffee getrunken hatte, überkam ihn plötzlich die Lust auf eine weitere Tasse dieses köstlichen Getränks. Aber die Frauen schliefen alle schon, er selbst würde nicht hinüber in die Küche gehen, ohnehin würde er sich dort nicht auskennen. Vielleicht sollte er sich doch lieber schlafen legen. Zwei Uhr war vorbei, seit über einer Stunde sollte er im Bett sein. Er hasste es, wenn sein Rhythmus durcheinandergeriet.
    Gerade als er sich entschlossen hatte, die noch nicht einmal zur Hälfte gerauchte Zigarre verglimmen zu lassen, hörte er ein Geräusch. Die Tür zu seinem Behandlungszimmer stand wie immer offen, es musste von dort gekommen sein.
    »Anna?«, rief Dr. F. in den vom Wartezimmer her nur schwach erleuchteten Raum hinein. Vielleicht konnte seine Tochter auch nicht schlafen. »Anna?«
    Er meinte, einen Schatten an der Wand zu erkennen, vor der die Couch und sein Sessel standen. Da, wieder. Eine Verdunklung huschte über den römischen Kopf, der ihm mit stets gleich leeren Augen über die Schulter blickte, wenn er seinen Patienten lauschte. Erstaunt nahm Dr. F. zur Kenntnis, dass seine Zigarre zitterte. Hätte er sich einen Moment zuvor selbst gefragt, ob er Angst empfinde, er hätte dies verneint.
    Mit fester Bewegung erhob er sich von seinem Schreibtisch.
    »Wer ist da?«
    Kaum dass er sie

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