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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Beethoven flieht, wann immer er kann, in die Natur und notiert dazu in seinem Notizbuch: »Mein unglückseliges Gehör plagt mich hier nicht. Ist es doch, als wenn jeder Baum zu mir spräche auf dem Lande, heilig! Heilig!« Erich Kästner, sonst nicht gerade für sentimentalen Überschwang bekannt, dichtet in Die Wälder schweigen: »Die Seele wird vom Pflastertreten krumm. / Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden / und tauscht bei ihnen seine Seele um.« Und Hermann Hesse ist überzeugt: »Wer mit ihnen [den Bäumen] zu sprechen, wer ihnen zuzuhören weiß, der erfährt die Wahrheit.« Fragt sich nur: Die Wahrheit worüber? Über sich selbst? Über das Wesen des Baumes? Das Wesen des Deutschen, Ring für Ring eingelagert im Gedächtnis des alten Stammes? Lauschen wir den Bäumen selbst!
     
    (Auftritt Eiche.)
    Eiche: Was schert es eine deutsche Eiche, wenn sich eine Wildsau an ihr reibt. (Auftritt Linde.)
    Linde: Spar dir die Grobheit. Man hat eine ernsthafte Frage gestellt.
    Eiche: Dann antworte du doch. Du warst ja immer die große Trösterin, Versteherin. (Beginnt zu singen) »Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Li-hindenbaum …«
    Linde: Es ist wahr, ich habe Generationen von Deutschen Trost geboten. In meinem Schatten haben sie geträumt, geliebt, geweint. Unter meinem Blätterdach haben sie getanzt. Unter meinem Schirm wurde Recht gesprochen. Mich haben sie nach ihrer friedlichen Wiedervereinigung in die Mitte des Landes gepflanzt. Während du sie stets zu Irrsinn angestachelt hast. Eisernes Kreuz, Ritterkreuz, Eichenlaub noch am schwärzesten Kragenspiegel. (Beginnt zu singen) »Heil dir im Eiiiiiichenkranz, Fürstin des Aaaaabendlands, Heil Deutschland dir!«
    Eiche: Ist es mein Fehler, dass ich aus einem härteren Holz geschnitzt bin als du? Dass diese verrückten Deutschen gemeint haben, sie müssten sich ausgerechnet unter meinem Banner aufführen wie die Axt im Wald? Mach mich nicht verdächtiger, als ich bin! Die Franzosen haben mich schließlich auch verehrt.
    Linde: Besonders wenn sie Könige geköpft haben.
    Eiche: Mir liegt das Heroische nun einmal mehr als das Empfindsame. Keiner hat das so erkannt wie mein Hölderlin. (Gerät ins Schwärmen) »Aus den Gärten, komm ich zu euch, ihr Söhne des Berges! … Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen …«
    Linde: Und wo hat ihn seine Leidenschaft hingebracht? Wahnsinnig geworden ist er.
    Eiche: Du bist doch nur eifersüchtig, weil er sich nicht an deinem Stamm ausgeheult hat. (Auftritt Buche.)
    Buche: Verzeiht, wenn ich mich in euer Gespräch einmische, aber als Buche sollte ich ein Wörtchen mitreden, wenn es um Deutschland geht. Ich bin die Mutter des deutschen Waldes, ich habe dieses Land schon bewachsen, da hat es euch noch gar nicht richtig gegeben. In Buchentafeln wurden Runen geschnitzt, dem Buchenstab verdankt sich der Buchstabe, und keiner hält ein Buch in der Hand, ohne an mich zu denken. Die gotischen Säulen der Dome erinnern an meine Stämme, Herr Mörike hat mir eins seiner schönsten Gedichte gewidmet: »Ganz verborgen im Wald kenn’ ich ein Plätzchen, da stehet eine Buche, man sieht schöner im Bilde sie nicht…«
    (Auftritt Tanne.)
    Tanne: Wenn man euch zuhört, könnte man meinen, dieses Land bestünde nur aus Laubbäumen. Eiche: (stimmt an) »O Tannenbaum, o Tannenbaum …«
    Tanne: Ja, ja, ja, zur Weihnachtszeit bin ich ihnen willkommen, aber auch dann nur, wenn sie mich mit Lametta und Nippes verhunzen und mich halb abfackeln können. Und kaum ist Januar, fliege ich auf die Straße.
    Linde: Ich verstehe deinen Schmerz, aber ganz so düster sieht die Wahrheit nicht aus. Es gibt den Tannhäuser. Und auch sonst kommst du in vielen schönen Märchen vor: »Schatzhauser im grünen Tannenwald, bist schon viel’ hundert Jahre alt, dein ist all’ Land, wo Tannen steh’n, lässt dich nur Sonntagskindern seh’n …«
    Tanne: Und wie heißt das Märchen? Das kalte Herzl Während eure Deutschen jeden Laubbaum, der sich ihnen in den Weg stellt, umarmen, als wär’s der eigene Bruder, machen sie mit uns, was sie wollen. Die meisten Baumschutzverordnungen kennen mich noch nicht einmal. Als Nutzholz sind wir ihnen gerade recht, aber wenn’s ums große Gefühl geht - Fehlanzeige.
    Buche: (singt) »Hohe Tannen weisen die Ste-herne von der Iser wildschäumender Flut. Liegt das Lager auch in weiter Fe-herne, doch du, Rübezahl, hütest es gut…«
    Tanne: Ihr prahlt

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