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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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gelöst haben, doch dann … Ach, schweigen wir.
    Das wenige von meinem Vermögen, das jenen unseligen »Schwarzen Freitag« überlebt hatte, schmolz im Krieg dahin. Den Verlust des Geldes hätte ich leicht verkraftet, Geld ist ohnehin nur ein schlüpfriger Grund. Mit dem Mammon wird man doch nur das Spiel der Interessenten und glaubt dabei auch noch, es sei Kulturfortschritt. Schließlich hat man Hunde, Stinkkarren und Radios und hundert andere Dinge, ohne die man gut auskommen könnte, und stellt fest, dass man trotz allem nicht glücklich ist.
    Eigentlich ist der am besten dran, der kein Geld hat, denn er weiß wenigstens, weshalb er am Morgen aufsteht. Er behält das Gefühl und die Hoffnung. Nein, der Verlust meines Vermögens war es nicht, was mir das Herz gebrochen hat. Mein Herz brach, als ich erleben musste, dass auch die Amerikaner nicht mehr aufgeschlossen waren, mich auf den neuen Pfaden, die ich beschritt, zu begleiten. Welch großen Segen hätte mein »ChaNess« der Menschheit bringen können, wenn nur die Amerikaner an mich geglaubt hätten!
    Aber ich will nichts Bitteres über dieses Land sagen, das mir eine zweite Heimat geworden ist, auch wenn es mich am Schluss, ohne mit der Wimper zu zucken, im Elend versinken ließ.
    Sehr verehrte Frau Dorn, ich weiß nicht, ob ich Ihre Frage befriedigend beantworten konnte, ob es Zufall war oder nicht, dass ausgerechnet ich, Karl Ludwig Nessler aus Todtnau, zum Vater der Dauerwelle werden durfte. Aber mehr kann ich Ihnen nicht erklären. Nehmen Sie nur mein Leben, und Sie werden sehen, dass die Antwort darin schlummert.
    In diesem Sinne verbleibe ich mit vorzüglichsten Grüßen,
    Ihr Charles Nessler
     
    >Arbeitswut, Bruder Baum, Gründerzeit, das Weib

Doktor Faust
     
    »Magica«, schreibt Paracelsus, »ist an ihr selbst die verborgenste Kunst und größte Weisheit übernatürlicher Dinge auf Erden. Und was menschlicher Vernunft zu erfahren und zu ergründen unmöglich ist, das kann durch diese Kunst der magica erfahren und ergründet werden. Denn sie ist eine große und verborgene Weisheit, während die Vernunft eine große öffentliche Torheit ist.«
    Was man sich merkt, gilt als Wissen, ist es aber bekanntlich nicht in jedem Fall. Wissen ist zwar nicht geheim, es gibt aber durchaus auch eine geheime Version davon. Es gibt sie seit eh und je, und ihre Existenz ist eine Herausforderung. Entscheidend ist, dass das Geheime am Wissen nicht als obskur gehandelt wird, dass es vielmehr das Offengelegte bestätigt und gleichzeitig seine Unvollständigkeit anzeigt. Man ist gewarnt, und das sollte auch genügen. Denn das Leben ist zwar dem Herzschlag zu verdanken, das Fortkommen in ihm aber dem Kopf zuzurechnen.
    Am Ende des Mittelalters hat die neu aufkommende Wissenschaft ihren Anschub durch sensationelle Ereignisse und ihren Rückbezug im Gerüst der viel gescholtenen Scholastik. Der Anschub trägt sie der kopernikanischen Wende zu, dem blendenden Sonnenschein der Aufklärung. Der Rückbezug sorgt für die Beibehaltung der Magie von Erkenntnis und Erkanntem. Je mehr man sich scholastisch der Abstraktion zuwandte, desto mehr verlor man sich an die Zahl. Sie war mystisch und zugleich real, sie ließ sich summieren und subsummieren, man konnte sie aber auch beschwören. Die Alchemie übertrumpft noch mühelos die Chemie, die Astrologie kommt vor der Astronomie. Und später wird es so sein, dass die Ästhetik sich noch vor der Erkenntnis stillschweigend bemerkbar macht. Wer dieses Erlebnis kennt, weiß: Nur das Schöne kann einem entgleiten, alles andere reißt sich los. Und er weiß, worauf es manchmal ankommt: auf Frömmigkeit und Innerlichkeit, und dass sie nicht Ergebnis sind, sondern Konstante. Mal bejubelt, mal versteckt.
    Ritter, Tod und Teufel erscheinen am Horizont. Wie Reiter, die an der Seele rühren.
    Philippus Aureolus Theophrastus Bombast von Hohenheim (1493-1541), genannt Paracelsus, Arzt, Alchemist und Philosoph, und Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486-1535) Theologe, Jurist, Philosoph, beispielsweise. Sie alle gelten als die Wissenschaftler der Zeit, über sie wusste man Bescheid. Scholastiker? Humanisten? Egal.
    Der weitaus interessantere, die Faszination auslösende, ist Faust. Dr. Johann Faust, über den wir deutlich mehr vermuten, als wir über ihn wissen. Einem Steckbrief ist zu entnehmen, dass er - lange vor Goethe - 1480 in Knittlingen (Württemberg) geboren sei. Faustus, der Glückhafte, wie das Latein der Zeit ihn zu nennen

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