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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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und Regierungssozialisten.
    Das alte Wort der offiziellen deutschen Sozialdemokratie schien leibhaftig in Erfüllung zu gehen: was die barbarischen Russen mit einer Revolution, mit Schüssen, Gepolter, Demolierungen, Blutvergießen und ähnlichen rückständigen Mitteln erreichen, das erreicht man in Deutschland auf parlamentarischem Wege …
    Der ›Umsturz‹ endete schon nach einer Woche wie eine schlechte Farce, in der die Schauspieler schon nach dem ersten Akt aufhören, sich selbst ernst zu nehmen … Die preußische Reaktion brauchte wie immer nur aufzutrumpfen, fest im Gefühl ihrer Überlegenheit, und der ganze ›Umsturz‹ ist auf einmal unter den Händen zerronnen … Was ist eigentlich geschehen – so muß vor allem gefragt werden –, daß dieser ganze Sturm im Glase Wasser ausgebrochen war? … Daß der Krieg keine Erfüllung der Weltmachtspläne des deutschen Imperialismus bringen wird, dies ist jetzt sowohl den militärischen Machthabern wie dem gesamten Bürgertum, ausgenommen ein paar alldeutsche Schreier, vollkommen klar. Die wachsenden Schwierigkeiten der Ernährung sowie die Beschaffung des Kanonenfutters und der Munition lassen die Sehnsucht nach dem Frieden auch in den herrschenden Klassen Deutschlands immer dringender werden. Daher die Friedfertigkeit und die Friedensangebote von deutscher Seite, die wohl in ihrem Kern bitterster Ernst und wie der Notschrei eines Wolfs sind, der in der eigenen Schlinge gefangen ist … Diesem Hexensabbat steht als einziger Friedensfaktor die russische Revolution gegenüber, die mit Blitzeshelle den Weg aus dem Labyrinth der Gegensätze gezeigt hat: nur der Sturz der Regierungen und der Reaktion kann dem Frieden die Bahn brechen. Nur ein radikaler Umschwung in dem sozialen Kräfteverhältnis im Innern der kriegführenden Staaten vermag den imperialistischen St. Veitstanz zum Stehen zu bringen …«
    Doch vom Sturz einer deutschen Regierung ist keine Rede. Das harte militärische Regime verhindert noch jede Auflehnung in der deutschen Armee. Und in der Marine, wo sie sich zum ersten Male zeigt, vermag man sie im Keime zu ersticken.
    Angeregt durch einen Beschluß des »Haushaltsausschusses des Reichstags« vom Sommer 1917 zur Errichtung von »Mannschafts-Menagekommissionen« setzen sich die Matrosen Köbis, Reichpietsch, Sachse und Weber auch für deren tatsächliche Installierung auf den Schiffen der deutschen Hochseeflotte ein, erreichen die Legalisierung durch die Flottenführung und setzen sogar die freie Wahl ihrer Mitglieder durch.
    Der Vizeadmiral von Trotha erklärt später vor dem »Untersuchungsausschuß des deutschen Reichstags« über die Funktion dieser »Menagekommissionen«: »…Das eingehende Bild, das der Abgeordnete Dittmann neulich von dem Wirken und der Entwicklung der Menagekommission gegeben hat, hat doch ganz klar hingestellt, daß hier aus einer solchen für Menagezwecke eingerichteten Kommission vorwärtstreibend und -drängend sich eine neben dem militärischen Apparat immer stärker sich entwickelnde Organisation aufbaute, die, wie ja der Abgeordnete Dittmann ausgeführt hat, von den Verpflegungsfragen hinüberging zur Behandlung von Fragen, die mit Verpflegung nicht das geringste zu tun haben … Nach meinen Notizen hat der Abgeordnete Dittmann gesagt, daß, nachdem die Menagefragen besprochen waren, man ganz selbstverständlich bei den damaligen Verhältnissen auf Themen kam wie die Revolution in Rußland, die Internationale Friedenskonferenz, das Ringen der spd und uspd um die Seelen. Wenn es nun dazu kommt, daß solche Kommissionen sich in Räumen zusammenfinden, die wegen der Ordnung an Bord nicht betreten werden dürfen, die ohne jede Kontrolle sind, wenn solche Kommissionen sich in Hinterstuben von Lokalen an Land zusammenfinden, so ist das ein Zustand, der mit einer einheitlich geführten Kriegsmacht unverträglich ist … Es ist verderblich und der Ruin jeder militärischen Leistungsfähigkeit, wenn die Fragen, die die Seelen des Volkes erschüttern, wenn die Kämpfe der Parteien in die Truppe hineingetragen werden …«
    Über Ursachen und Ablauf der Matrosenunruhen im Sommer 1917 berichtete der Reichstagsabgeordnete Dittmann (uspd) vor dem »Untersuchungsausschuß des deutschen Reichstags über die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs«:
    »Der Kriegswinter 1916/17, der sogenannte ›Kohlrübenwinter‹, war eine Zeit schlimmster Not und größten Hungers in der Heimat. Auch in der Armee und in der Marine war zu jener

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