Die Deutschen
Begleitung des Obersten Hans von Haeften und den sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten David, Ebert, Landsberg, Scheidemann, Südekum sowie den Mitgliedern der Generalkommission der Gewerkschaften Bauer, Legien und Schmidt.
Ebert: »Es ist nicht die Zeit, nach dem Schuldigen für den allgemeinen Zusammenbruch zu suchen. Die allgemeine Stimmung im Volke sieht aber im Kaiser den Schuldigen; ob mit Recht oder mit Unrecht, ist jetzt gleichgültig. Die Hauptsache ist, daß das Volk den vermeintlichen Schuldigen an dem Unglück von seinem Platz entfernt sehen will. Daher ist die Abdankung des Kaisers, wenn man den Übergang der Massen in das Lager der Revolutionäre und damit die Revolution verhindern will, unumgänglich notwendig. Ich schlage vor, daß der Kaiser noch heute, spätestens morgen, freiwillig seine Abdankung erklärt und einen seiner Söhne, vielleicht den Prinzen Eitel Friedrich oder Prinz Oskar, mit der Regentschaft betraut. Der Kronprinz ist im jetzigen Augenblick unmöglich, da er bei den Massen verhaßt ist.«
Groener: »Von einer Abdankung des Kaisers kann nicht die Rede sein. Im jetzigen Augenblick, wo die Armee noch im letzten schweren Ringen mit dem Feind steht, ist es unmöglich, ihr den Obersten Kriegsherrn und damit den autoritären Halt zu nehmen. Solange wir noch im Kampf mit dem äußeren Feinde stehen, müssen die Interessen der Armee allen anderen vorangestellt werden. Ich lehne es daher auf das entschiedenste ab, in der Abdankungsfrage irgendeinen Schritt zu unternehmen oder wohl gar dem Kaiser derartiges vorzutragen.«
David und Südekum versuchen, General Groener von der Notwendigkeit der Abdankung zu überzeugen. Beide erklären, sie seien keineswegs Gegner der Monarchie an sich, und dieser Schritt würde auch nicht die Abschaffung der Monarchie bedeuten. Große Teile der deutschen Sozialdemokratie würden, ein parlamentarisches System vorausgesetzt, einen Monarchen nicht unbedingt ablehnen.
Scheidemann (der während der Ausführungen Davids und Südekums ans Telefon gerufen worden war): »Die Abdankungsfrage steht jetzt gar nicht mehr zur Diskussion. Die Revolution marschiert. Eben habe ich die Nachricht erhalten, daß zahlreiche Kieler Matrosen in Hamburg und Hannover die staatlichen Machthaber festgenommen und die öffentliche Gewalt an sich gerissen haben. Das bedeutet die Revolution! Meine Herren, jetzt gibt es nichts mehr zu diskutieren, jetzt gilt es zu handeln. Wir alle wissen nicht, ob wir morgen noch auf diesen Stühlen sitzen werden.«
Ebert: »Noch ist nichts entschieden. Was die Frage der Monarchie anbetrifft, so bin ich, wie Genosse Scheidemann, im Gegensatz zu den übrigen Herren zwar überzeugter Republikaner, doch die Frage ›Monarchie oder Republik‹ hat für uns nur theoretische Bedeutung. In der Praxis würden auch wir uns mit der Monarchie mit parlamentarischem System abfinden. Ich rate deshalb Euer Exzellenz dringend, die letzte Gelegenheit zur Rettung der Monarchie zu ergreifen und die schleunige Beauftragung eines der kaiserlichen Prinzen mit der Regentschaft zu veranlassen.«
Südekum beschwört mit Tränen in den Augen General Groener, auf den Ebertschen Vorschlag einzugehen, sonst stünde eine furchtbare Katastrophe bevor, »deren Folgen keiner von uns heute absehen« könne.
Groener: »Der Vorschlag ist für mich indiskutabel. Ich bin autorisiert, den Herren zu eröffnen, daß sämtliche kaiserliche Prinzen sich mit ihrem Vater solidarisch erklärt haben und daß, falls ihr Vater gezwungen würde, gegen seinen Willen abzudanken, keiner der kaiserlichen Prinzen bereit ist, die Regentschaft zu übernehmen.«
Ebert: »Unter diesen Umständen erübrigt sich jede weitere Erörterung. Jetzt müssen die Dinge ihren Lauf nehmen. Wir danken Ihnen, Exzellenz, für die Aussprache und werden uns stets gern der Zusammenarbeit mit Ihnen während des Krieges erinnern. Von nun an trennen sich unsere Wege. Wer weiß, ob wir uns je wiedersehen werden.«
Händedruck und Abschied.
von Haeften (zu Groener): »Das bedeutet die Revolution. Diese Führer haben die Massen nicht mehr in der Hand. Wenn sie deren Willen nicht tun, sind sie Generäle ohne Truppen.«
8. November 1918: Ernst Däumig von der uspd, der zu den führenden revolutionären Obleuten und den Organisatoren des Berliner Aufstandes gehört, wird auf der Straße verhaftet. Da er sämtliche Pläne für den Aufstand am 11. November bei sich trägt, fallen sie in die Hände des Oberkommandos in den
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